27.04.2022, von Carl-Philipp Frank

Der Twitter-Aufruhr

Love him or hate him – Elon Musk ist zur Zeit eine der umstrittensten Persönlichkeiten im Netz. Idol für Crypto-Investoren, libertäre Edgelords und selbsternannte Sigma-Males; Antichrist für “Woke”, Sozialisten und Gutmenschen und Big Oil. Der “selfmade”-Milliardär (seine Eltern besassen eine Smaragdmine in Südafrika) und Firmengründer hat in jedem Fall, das lässt sich nicht leugnen, einen sehr interessanten Werdegang hinter sich. Dieser beginnt 1995 mit der Gründung einer erfolgreichen Back-End-System-Firma für Medienunternehmen, die er 1996 recht gewinnbringend verkauft. Anschliessend gründet der junge Unternehmer nicht, wie ihr vielleicht gedacht habt, Tesla und Paypal, sondern investiert respektive kauft auf. SpaceX, die Raumfahrtunternehmung, geht jedoch auf ihn zurück (2002). Danach folgt eine Reihe von lustigen kleinen Firmenideen, die sich grösstenteils im Sand verlaufen und BOOM ist der Mann einer der reichsten Menschen auf der Erde. Und jetzt kauft er Twitter. Crazy.

Für stattliche 44 Milliarden (!) USD pöstelet Herr Musk sich den womöglich einflussreichsten Kurznachrichtendienst der Welt. Das Internet geht steil: Die einen feiern die Aktion, die anderen regen sich (gewiss nicht zu Unrecht) darüber auf, dass man mit dem Geld wohl Sinnvolleres hätte machen können. Aber warum tut er es überhaupt? Gemäss eigener Aussage will er die Meinungsfreiheit stärken. Was damit konkret gemeint ist, können wir nur erahnen. Wir haben für euch aber einmal ein paar verschiedene Szenarien erstellt, was in Zukunft mit Twitter geschehen könnte:

Szenario 1: Gesetzloser Twitter-Westen

Elon Musk setzt die ultimative Meinungsfreiheit durch und reisst sämtliche Mauern und Regulationen nieder. Als Erstes wird der Account von Ex-Präsident Donald J. Trump wiederhergestellt. Eine Welle rechter, rassistischer Posts flutet Twitter. Innert kürzester Zeit verwandelt sich das soziale Netzwerk zuerst in ein Netzwerk für Rechtsradikale, die von Telegram zurückmigrieren, und anschliessend ziemlich zackig in eine “helle” Version des Darknets. Twitter wird zu einem Hub für Kriminalität aller Art, von Drogendeals bis zu Angeboten für Auftragsmorde. Behörden weltweit werden von der schieren Masse an Gesetzlosigkeit überrollt, und nach spätestens einer Woche wird Twitter global verboten und Elon Musk von der NSA abgeführt. Wahrhaftige Freiheit für das Netz, wenn auch nur kurz.

Szenario 2: Seine Eminenz Elon, erster seines Namens, Gebieter über die Netzgezeiten

Elon Musk entfernt die eine oder andere Regulation und lehnt sich zurück. Es geht jedoch keine zwei Stunden, bis ihm auffällt, dass er die gemeinen Kommentare unter seinen Posts ja einfach löschen und die Verfasser blockieren kann. Kurz darauf fällt ihm auf, dass er dasselbe auch mit konstruktiv kritischen Kommentaren machen kann. Kurz darauf fällt ihm auf, dass er als Besitzer ja wirklich tun und lassen kann, was er will. Nach spätestens einer Woche werden nur noch Tweets mit dem Hashtag #iloveelonmusk erlaubt, Profilbilder müssen ein (gutes!) Foto von Elon und Grimes zeigen und wer nicht Tesla fährt, wird automatisch gebannt. Es findet eine massive Nutzerabwanderung statt, Erträge sinken ins Bodenlose und Elon Musk muss Insolvenz einreichen und wird von der IRS abgeführt. Wahrhaftige Freiheit für Elon, wenn auch nur Kurz.

Szenario 3: Manipulation? Nöööö, wir doch nicht…

Elon Musk lässt augenscheinlich alles beim Alten, baut hinter der Kulisse jedoch massiv um: Accounts, welche sich mit Börsenthemen befassen, werden systematisch unter Vorwänden gesperrt und ersetzt, bis alles nach seiner Pfeife tanzt. Anschliessend beginnt die grosse Phase der Börsenmanipulation. Ein Tweet von Elon, gepaart mit “echten” Aussagen von “echten” Börsenexperten lässt die Aktienmärkte springen und fallen, ganz nach seinem Gusto. Durch gezielte Falschaussagen zu Kursen und geplanten Käufen/Verkäufen manipuliert Herr Musk die Kurse bis zum geht-nicht-mehr und wird innert kürzester Zeit zum Billionär. Elon Musk wird wegen 2784 Fällen von Börsenmanipulation von der amerikanischen Börsenaufsicht abgeführt. Auf dem Weg ins Gerichtsgebäude erschiesst ihn ein Hobby-Broker, der sein ganzes Geld wegen eines Tweets verloren hatte. Wahrhaftige Freiheit für … eigentlich niemanden. Wenn auch nur kurz.

Szenario 4: Grüsse aus Mexiko

Elon Musk ändert nichts auf Twitter und lehnt sich, scheinbar entspannt, zurück. Bald schon fällt jedoch seine lockere Fassade, als ein Hacker der internationalen Gruppierung Anonymous vertrauliche Daten seiner Bank- und Börsenkonti auf Twitter veröffentlicht. Daraus ist ersichtlich, dass es um Musks Finanzen nicht so gut steht, wie man angenommen hatte. Elon versucht panisch, die Leaks vom Netz zu bringen, aber der Schaden ist bereits angerichtet: Er hatte das Geld für den Twitter-Kauf gar nicht durch Verpfändung seiner Tesla-Aktien erhalten, sondern vom Sinaloa-Kartell geliehen. Musk taucht ab, wird aber nach einer Woche halb erfroren von einem Polizisten in einem Wald in North Dakota aufgegriffen und zur Polizeistation gebracht. Der Streifenwagen erreicht sein Ziel jedoch nie, und von Elon Musk gibt es keine Spur. Wahrhaftige Freiheit für mexikanische Kartelle, wenn auch nur kurz.

Szenario 5: Es steht in den Twitter-Sternen

Elon Musk tut irgendetwas und wir wissen nicht wirklich was. Klar, es könnte tatsächlich eines der vorherigen Szenarien eintreffen, wer weiss. Wir auf alle Fälle nicht. Niemand kann es wirklich wissen, ausser Elon selber. Und ganz ehrlich: Ist es wirklich dermassen wichtig? Ist Twitter ein so wichtiger Teil der Gesellschaft geworden, dass wir und nun alle mit dem Thema beschäftigen sollten? Hoffentlich nicht. Das einzige, was ich mit Sicherheit voraussagen kann, ist, dass 95 Prozent der Twitter-Nutzer, die bekannt gegeben haben, dass sie Twitter nun nicht mehr nutzen werden, “Bullshit verzelled”! Einmal dabei, lässt man nicht so schnell wieder los.