02.03.2022, von Carl-Philipp Frank

Was uns die Ukraine lehrt

Nach Jahrzehnten des Friedens und der Diplomatie ist es geschehen. Russische Truppen sind letzte Woche in die Ukraine einmarschiert. Ihr Ziel: Die Selenski-Regierung zu stürzen und durch eine pro-russische zu ersetzen. Obwohl bisher keine offizielle Kriegserklärung abgegeben wurde und die russischen Soldaten auf eine “Friedensmission” sind, kann man in dieser Angelegenheit sehr wohl von einem Krieg sprechen. In Europa. Praktisch vor unserer Haustür. Da muss man einfach wieder einmal betonen, wie gut es uns eigentlich geht.

Wir werden in der Nacht vom bellenden Nachbarshund geweckt, nicht von Raketeneinschlägen. Wenn wir in den Keller gehen, dann um eine Dose Ravioli aus dem Vorrat zu holen. Andere müssen in den Keller, um sich vor dem Stahlgewitter der Artillerie zu schützen. Wir können mit unseren Familien übers Wochenende in die Berge, während ukrainische Väter ihre Frauen und Kinder an die Grenze bringen und selber wieder umkehren. Unsere Schutzbunker, in Häusern älteren Baujahres noch Pflicht, sind längst nicht mehr einsatzfähig; vielmehr sind sie umgenutzt worden zu Abstellräumen, Vorratskammern oder BDSM-Dungeons. Wenn wir in der Schweiz Militärfahrzeuge sehen, wissen wir, dass die jungen Frauen und Männer darin am Wochenende wieder heim kommen. In der Ukraine weiss das keiner.

Man kann in dieser Situation nur dankbar sein, dass man selber nicht betroffen ist. Das letzte Mal, dass die kriegerische Handlungen auf Schweizer Boden stattfanden, war 1847. Seither konnte sich die Schweiz (Gott sei Dank) durch ihre Neutralität aus den Kriegen heraushalten. Das führte unweigerlich dazu, dass wir bis vor Kurzem eine gewisse mentale Distanz zum Krieg aufgebaut haben. “Das ist ja nur irgendwo in Afrika oder so, juckt mich nicht.” Man ist sich so gewöhnt, dass Frieden herrscht, dass man vergisst, dass es auch anders sein kann. Dabei sollten wir dankbar sein. Dankbar, dass wir nicht im Krieg sind.

Klar, ich stehe auch nicht jeden morgen auf und schicke als erstes ein Dankesgebet an wen-auch-immer. Aber Einfach einmal überlegen, wie gut man es eigentlich hat, und wie schlimm es sein könnte, schadet nicht. Alternativ könnt ihr natürlich auch etwas in Richtung Ukraine spenden, ist ja auch eine Art der Dankbarkeit. Das SRF hat dazu einen tollen Leitfaden geschaffen, abrufbar hier. Ansonsten können wir nur hoffen, dass die blutige Auseinandersetzung im Osten schnellstmöglich ein Ende hat.