06.02.2020, von Schweizerisches Konsumentenforum

Das Geschäft mit der Scham

So vielseitig Konsumentinnen und Konsumenten sind, so vielseitig sind auch die Fälle und Probleme, die die Ombudsstelle e-Commerce täglich erreichen. Von A wie Antidepressiva bis Z wie Zahnersatz gibt es beinahe nichts, was nicht schon für Ärger gesorgt hätte. 

Horsepower – das Geschäft mit der Scham

Das Potenzmittel “Horsepower“ (dt. Pferdestärke) von Aliaz Cooperation, welches ausschliesslich online vertrieben wird, verspricht der Männerwelt Fabelhaftes: Es soll nicht nur die Potenz des Mannes steigern, sondern auch den Schweif… pardon… den Penis um 4 bis 8 cm vergrössern. Auf der Webseite bietet die Firma eine Gratis-Probe inkl. Lieferung an. Kurze Zeit später folgt automatisch, ohne dass es für die Konsumenten ersichtlich gewesen wäre, eine kostenpflichtige Lieferung. Wenn sich die Männer weigern zu bezahlen, werden sie mit einer Betreibungsandrohung eingeschüchtert. Die Männer geraten dabei in die Zwickmühle: Sollen sie sich juristisch wehren und damit weitere Leute miteinbeziehen in ihr Potenzproblem? Oder schweigen und zahlen?

Marketingtechnisch ein Traum für die Aliaz Cooperation: Der Kunde fühlt sich zuerst leistungstechnisch vom Pferd angesprochen und kommt sich anschliessend wie ein Esel vor. Darum muss davon ausgegangen werden, dass sich beim Konsumentenforum nur die Spitze des Eisbergs meldet und viele Männer aus Schamgefühl die ungerechtfertigten Rechnungen bezahlen. Dass das Recht, trotz Betreibungsandrohung, nicht auf Seite der Aliaz Cooperation ist, beweist die Tatsache, dass die Firma bei jedem Fall, den die kf-Rechtsberater vorlegen, klein beigibt und die Rechnungen kommentarlos storniert.

Schwer zu verstehen aus Konsumentensicht

Die Rechtsberatung des Konsumentenforums informiert das SECO (Staatssekretariat für Wirtschaft) regelmässig über Firmen mit illegalen Tendenzen, sprich über solche, bei denen eine Häufung von Fällen auftritt und man davon ausgehen kann, dass es sich um betrügerische Machenschaften handelt. Bis das SECO aber eingreifen kann, vergehen aber häufig Jahre. Man denke an die Plattform viagogo, die jahrelang in der Schweiz schalten und walten konnte, wie es ihr beliebte und es offensichtlich war, dass jährlich tausende Konsumenten schweiz- und europaweit betrogen wurden. Diese juristische Behäbigkeit machen sich viele Betrüger, Schweizer wie Ausländer, zu Nutze.  Wer im EU-Raum als Online-Betrüger am Pranger steht, kann es immer noch in der Schweiz probieren und dort fast zwei bis drei Jahre weiter betrügen. Wenn man dann noch auf einen kleinen Teil aller Reklamationen eingeht, wie es bei viagogo der Fall war, entsteht zudem fälschlicherweise der Eindruck, die Firma sei lediglich überfordert, aber bemühe sich um eine Lösung.

Dominique Roten
Konsumentenforum