09.02.2021, von Carl-Philipp Frank

Der letzte Schuhmacher im Unterland

Manchmal lohnt es sich, in Qualität zu investieren. Manchmal ist es einfach schlauer, einmal nicht nur auf das Portemonnaie zu schauen, sondern etwas langfristiger zu denken. Zum Beispiel bei Schuhen. Es gibt nichts Unangenehmeres, als bequeme, modische Treter, die nach einem halben Jahr bereits auseinanderfallen, weil sie von bangladesischen Kindern zum Hungerslohn mit schlechtem Material produziert wurden. Da investiert man doch lieber ein paar Franken mehr, damit das Fusswerk auch etwas länger haltbar ist.

So habe ich mir vor gut drei Jahren ein paar hübsche, nicht ganz billige Lederstiefel gekauft. Schlicht, aber von guter Qualität. Abnutzung ist aber leider allgegenwärtig, darum riss mir letzte Woche eine Naht am rechten Stiefel. Und da stellte sich mir die Frage: Wegwerfen und neue kaufen, oder zum Schuhmacher gehen und die Lebensdauer noch etwas verlängern? Die Antwort lag natürlich auf der Hand, schliesslich bin ich ja Konsumheld.

Darum suchte ich Signor Vecchie in Bülach auf. Sein Lädeli findet man in einem renovationsbedürftigen Haus in der Altstadt; ganz unscheinbar. Ehrlich gesagt, hatte ich so meine Zweifel, als ich eintrat. Überall war Schuhfett, die Maschinerien sahen aus, als ob sie aus den 30er-Jahren stammten und das Werkzeug schien noch älter. Aber glauben sie mir, der Schein täuscht. Einige Tage später konnte ich die Stiefel wieder abholen; und siehe da: Tadellos genäht und beide blitzblank poliert. Zu einem absolut fairen Preis noch dazu. Signor Vecchie versteht halt sein Handwerk als Schuhmacher, er praktiziert es ja auch schon seit Jahrzehnten. Leider ganz im Gegensatz zu anderen Schuhmachern in der Umgebung. Die meisten Schuhmachergeschäfte sind in den letzten Jahren entstanden und werden von jungen, ungelernten Charismatikern geführt, die zwar günstig sind, aber qualitativ nicht abliefern können. Und wer zu Grossketten geht, wird mit horrenden Preisen bombardiert.

Echte Handwerkskunst stirbt leider aus, und mit ihr die Nachhaltigkeit. Aber wir können dagegenwirken. Qualität vor Preis setzen und Reparatur in Betracht ziehen, dann kommt das gut. Echt jetzt.