28.02.2024, von Schweizerisches Konsumentenforum

Darf es auch etwas mehr Ziegenfleisch sein?

Oft sind die Konsumenten der Meinung, dass es Gitzifleisch nur an Ostern gebe. Dies stimmt so nicht ganz: das Angebot verteilt sich immer mehr über das ganze Jahr. Im Frühjahr kann das traditionelle Gitzi als Braten und im Sommer als Grillprodukt verwendet werden. Im Herbst stehen Jungtiere an, aus denen es einen wunderbaren Pfeffer gibt, und im Winter könnte ein Voressen nach Grossmutterart wieder einmal angesagt sein.

Die Ziege gehört zu den ältesten Hausnutztieren überhaupt und diente früher vorwiegend der Selbstversorgung. Viele Vorfahren von uns wurden nur dank der Ziege und ihren Produkten überhaupt satt. Heute kaum mehr vorstellbar, dass auch bei uns Hunger weit verbreitet war und eine Schüssel Ziegenmilch eine Hauptmahlzeit sein konnte. Die Schweiz gilt als Ursprungsland der modernen Ziegenzucht. Ziegen sind keine Masttiere und werden überwiegend draussen gehalten. In den Bergregionen grasen sie an schwer zugänglichen Hängen. Ziegen sind Feinschmecker, die sich die besten Kräuter aussuchen; gleichzeitig pflegen sie die Landschaft, indem sie auch Büsche und Sträucher fressen und somit die Weideflächen offenhalten.

Traditionell werden Gitzi von Konsumentinnen und Gastronomen an Ostern als Frischfleisch-Spezialität nachgefragt. Der Brauch, aufgrund seiner Reinheit vor allem an Ostern Gitzifleisch zu essen, geht auf die christlich-abendländische Tradition zurück. Das Brunstverhalten der Ziegen begünstigt die Geburten Anfang Jahr, so dass die Gitzi vor Ostern schlachtreif sind. Das Fleisch der Ostergitzi ist hell und zart.

Als Alternative zum Ostergitzi bietet sich das Herbstgitzi an, auch Alp- oder Berggitzi genannt mit Ziegenfleisch bester Qualität. Die Jungtiere verbringen den Sommer über auf Alpenweiden, wo sie saftige Kräuter fressen. Dadurch wird ihr Fleisch rötlicher, kräftiger und aromatischer, bleibt aber dennoch feinfaserig und zart.

Das Fleisch der ausgewachsenen Ziegen gelangt während des ganzen Jahres auf den Markt. Es wird in der Regel zu Trockenfleisch und Rohwürsten verarbeitet und mit Schweinespeck verfeinert. Hergestellt wird auch reiner Ziegensalsiz ohne Schweinespeck.

Nach wie vor konzentriert sich der Handel sehr stark auf die Wochen vor Ostern. Das ist für die Ziegenhaltungsbetriebe problematisch, da Ziegenmilch das ganze Jahr verlangt wird und deshalb immer mehr Geburten über das Jahr verteilt stattfinden. Vor allem die Marktlage für Ostergitzi hat sich in den vergangenen Jahren stetig verschlechtert, einerseits weil mehr Tiere angeboten werden und anderseits die Nachfrage gesunken ist. Die Gitzifleischkonsumenten, das heisst die Familien, die an Ostern gerne ein ganzes Gitzi kochen, sterben sprichwörtlich weg. Aufgrund der steigenden Nachfrage hat hingegen die Produktion von Ziegenkäse in den vergangenen Jahren stetig zugenommen.

Wir müssen erreichen, dass der Konsument zur Bereicherung seines Menüplans das ganze Jahr Ziegen-, Jungziegen-, Herbstgitzi- oder Gitzifleisch konsumiert. Rücken und Gigot eignen sich ganz besonders zum Braten oder Schmoren im Ofen, aber auch für feine Koteletts auf dem Grill. Aus der Schulter oder dem Voressen lassen sich feine Gitzileckereien kreieren, in würziger Sauce gegart oder im Ofen knusprig gebraten.

Doch warum können nicht mehr Konsumenten für dieses Fleisch gewonnen werden? Ist es der Jööh-Effekt beim Anblick der Gitzi oder ist es der angebliche Geschmack nach «böckelndem Fleisch», der teilweise hartnäckig in den Köpfen verankert ist? Oder weiss die Konsumentin gar nicht mehr, wie dieses Fleisch verwendet werden kann? Liegt es etwa daran, dass Ziegenfleisch in den Metzgereien und im Detailhandel gar nicht (mehr) angeboten wird?

Die Kritik des «böckelnden Fleischs» können wir so nicht stehen lassen, denn die Ziegenhaltung hat sich in den letzten Jahren enorm verändert: genügend Einstreu, Frischluft und Licht gehören heute in einen guten Ziegenstall. Dazu kommen regelmässiger Auslauf und in den Vegetationsperioden Weidegang. Ziegenfleisch hat sicher seinen eigenen Geschmack. Dies muss aber so sein, ansonsten wäre es ja einfach austauschbar. Das Fleisch von Jungtieren ist hingegen fast geschmacksneutral.

Der Konsum muss erhöht werden
Laut Proviande wurden im vergangenen Jahr rund 48`000 Tiere der Gattung Ziegen geschlachtet. Darunter befinden sich Gitzi, Jungziegen und Ziegen. Ein sehr grosser Anteil der Tiere wird über private Kanäle, Kleinviehorganisationen oder via Direktverkauf vermarktet. Leider werden in der Schweiz pro Jahr nur etwa 70 Gramm Ziegenfleisch pro Kopf gegessen. Theoretisch könnte der Konsum von Ziegenfleisch also gut erhöht werden.

Es stellt sich die Frage, ob die Kundin bereit ist, den vom Produzenten gewünschten Preis zu bezahlen. Dies für eine Tierkategorie, die sie vermutlich noch zu wenig kennt. Doch wie läuft es in der Realität? Wir haben festgestellt, dass die Neukunden oft positiv auf Ziegenprodukte reagieren. Das Fleisch sei sehr zart und ohne speziellen Geschmack. Sie sind oft sehr überrascht und sagen, dass sie wieder Ziegenfleisch essen werden. Solche positiven Erfahrungen müssen unbedingt mit einer guten Kundenbetreuung weiterverfolgt werden. Fehlt eine solche, verlieren wir die Kunden oft wieder wegen des nicht vorhandenen Angebots an Gitzifleisch im Detailhandel.

Für Ziegenmilchprodukte besteht hingegen eine gute Nachfrage. Ohne Geburten gibt es aber keine Milch! Somit stehen Jungtiere an, die vermarktet werden müssen. Präsentieren wir dem Konsumenten gute Produkte, so besteht eine reelle Chance, den Fleischabsatz zu steigern.

Also: Wann essen Sie das nächste Mal Ziegenfleisch?

Autor: Stefan Geissmann, Präsident Schweizerischer Ziegenzuchtverband SZZV