Der Boom des Gebrauchten
Überall boomt der Vintage-Markt. Secondhandläden schiessen wie Pilze aus dem Boden und auf zahlreichen Plattformen kann man seine alten, getragenen Klamotten und vieles mehr zum Verkauf anbieten. Plattformen wie Vinted, Depop und Riccardo finden momentan jeden Monat mehr Mitglieder, ich bin auch eines davon.
An den Wochenenden gibt es in fast jeder Stadt Flohmärkte, meistens samstags. Man muss früh aufstehen, um die besten Schnäppchen zu ergattern. Ein Flohmarktbesuch ist meiner Meinung nach ein Erlebnis für sich. Man kann die meisten Sachen sehr günstig kaufen und findet eigentlich immer etwas. Wenn nicht, kann man an den grossen Verkaufstischen stöbern, bis man umfällt. Auf manchen Flohmärkten gibt es sogar Imbissbuden, die den «Schatzsuchern» das Erlebnis versüssen. Die Stimmung ist meist sehr gut und die Leute handeln gerne. Viele junge Leute haben einen Stand, man kann das auch nur einmal machen, um alten Kinderkram oder Kleider, die einem nicht mehr gefallen, zu verkaufen. Das ist eine beliebte Einnahmequelle und vielleicht findet sich noch jemand, der sich darüber freut.
Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren ein präsentes Thema geworden und Fast Fashion ist in Verruf geraten. In den sozialen Medien werden grosse Konzerne wie Shein oder Temu boykottiert. Der Kauf von Second-Hand-Kleidung oder Schmuck ist beliebtes Material für «Hauls», was sich auch in den Like-Zahlen widerspiegelt. Ich kann nicht leugnen, dass ich auch schon Second Hand gekauft habe und mich danach unglaublich nachhaltig gefühlt habe. Es erleichtert das Gewissen, wenn man weiss, dass man willkürlich etwas gekauft hat, das nicht direkt aus einer Kleiderfabrik mit unterbezahlten Arbeitern in China kommt. Durch den Kauf von Second-Hand-Kleidung sinkt auch die Nachfrage nach «frischer Ware». Natürlich darf man nicht denken, dass der Kauf eines Secondhand-T-Shirts den Kauf von zwei neuen H&M-Pullovern kompensiert, so funktioniert das nicht. Aber der Kauf von Second Hand reduziert den Plastikverbrauch enorm. Da auf Flohmärkten und in Vintage-Läden die Waren meist unverpackt verkauft werden, fällt hier kaum Abfall an, ausser vielleicht beim Versand.
Vintage zu kaufen hat sich in den letzten Jahren als eigener Lifestyle und Kleidungsstil etabliert. Vor allem bei einigen Jungs gehört der wöchentliche Flohmarktbummel zur Tagesordnung. Auch der Kleidungsstil ist weithin erkennbar. Einige Trends aus den 90er oder 80er Jahren sind wieder aufgetaucht und manche Stücke findet man nicht mehr in kommerziellen Geschäften, sondern in privaten Sammlungen oder in Vintage-Läden. Viele Vintage-Läden haben allerdings ihren Preis. Vor allem für Designerstücke, die so nicht mehr hergestellt werden, zahlt man ein Vermögen.
Über den Vintage-Boom kann man meiner Meinung nach nichts Schlechtes sagen, ausser, dass er für manche Käufer ein eingebildetes Alibi ist. Aber es kann nicht schaden, ein paar alte Klamotten zu verschenken oder statt einer neuen Hose eine gebrauchte zu kaufen. Die beste Lösung wäre aber natürlich, den Konsum insgesamt zu reduzieren, Vintage ist nur eine bessere Konsumalternative zu Fast Fashion.
Konsumheldin: Yanusha Tschäppeler, 17 Jahre