Ohne Importe hätten wir eine Hungersnot
Am «Green Sofa Live» diskutierten vier Panelisten in Dübendorf über die Herausforderungen und die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft. Das lieferte fundierte Einblicke und kontroverse Debatten rund um die Frage: Welche Landwirtschaft will die Schweiz?
Durchgeführt wurde die bereits vierte Ausgabe von «Green Sofa Live» durch Syngenta in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Bauernverband in der Oberen Mühle in Dübendorf. Der Andrang war gross: Über 100 Gäste – darunter zahlreiche Landwirtinnen und Landwirte – fanden sich im grossen Speicher-Saal ein. Eröffnet wurde die Diskussion von Roman Mazzotta, Präsident Syngenta Schweiz.
Unter der Leitung von Moderator Reto Brennwald nahm die Diskussion dann sogleich Fahrt auf: Angesprochen auf die schlechten Wetterverhältnisse dieses Jahr nannte Landwirt und Nationalrat Martin Hübscher das Kind sofort beim Namen: «Ohne Importe, hätten wir dieses Jahr eine Hungersnot gehabt.»
«Schlussendlich geht’s ums Portemonnaie»
Etwas überrascht zeigte sich Babette Sigg Frank des Konsumentenforums. «Von dieser enormen Not haben die Konsumenten überhaupt nichts gemerkt.» Beim Detailhändler seien die Gemüse- und Früchteregale stets gefüllt gewesen. Den Leuten sei es aktuell wohl egal, woher die Ware kommt.
«Schlussendlich geht es ums Portemonnaie», so Sigg. Diese Einschätzung teilte auch Prof. Dr. Mathias Binswanger. Im Detailhandel dominiert der Preis. Etwa 11 Prozent zeigen eine hohe Zahlungsbereitschaft für Bio-Produkte. «Diese Preise sind einfach exorbitant hoch!» Bei den restlichen Lebensmitteln wird der Franken für Lebensmittel ungleich höher bewertet als für anderen Konsum. Hier muss ein Umdenken stattfinden, wenn die Marktmacht der Landwirte gesteigert werden soll. Bei konventionellen Produkten wird aber der Preis nach wie vor die entscheidende Rolle spielen.
Nach langer Zeit beobachtet Prof. Dr. Binswanger aktuell mal wieder so etwas wie Wettbewerb im Detailhandel. Babette Sigg zeigte sich demgegenüber allerdings skeptisch: «Den Konsu-menten hat man 30 Jahre lang erzählt, dass es nicht möglich ist, die Preise zu senken, und plötzlich geht es doch.» Da kommt natürlich die Frage auf, ob am Ende die Bauern den Preis bezahlen müssen.
Wertschätzung und Wertschöpfung Martin Hübscher malte ein düsteres Bild, als es um den Zahltag der Bauern ging. So gibt es zahlreiche Bauern, die durchschnittlich 17 Franken pro Stunde verdienen. Das sei einfach zu wenig.
«Die Wertschätzung der Bevölkerung haben wir, jetzt brauchen wir aber auch die Wertschöpfung!» Eine Aussage, die im Saal und insbesondere unter den anwesenden Bäuerinnen und Bauern auf grosse Zustimmung stiess.
Weg vom Gesamtverbot
Für Martin Hübscher sind es die staatlichen Auflagen und Einschränkungen, die den Bauern weitere Produkti-vitätssteigerungen verunmöglichen: «Pflanzenschutzmittel werden in allen Bereichen vom Markt genommen und Verbote der EU im Bereich Pflanzenschutz werden direkt übernommen, nicht aber die Zulassungen.»
Diese Politik folgt dem Irrglauben, dass man rückstandsfrei produzieren könne. «Eine Nulltoleranz gibt es aber nicht», stellte Hübscher klar. Auch Christian Hofer, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft, betonte die Herausforderungen, wenn man den angestrebten Selbstversorgungsgrad von 50 Prozent erreichen wolle. Innovationen darf sich die Schweiz sich nicht verschliessen und beim Pflanzenschutz müssen die gleichen Möglichkeiten bestehen wie im umliegenden Ausland. Für Hofer spielen neben robusteren Sorten neue Züchtungstechnologien eine wichtige Rolle. «Man muss vom Gesamtverbot weg und hin zu einer risikobasierten Zulassung», so Hofer.
Auf dem Panel des «Green Sofa Live» (v.l.n.r.): Martin Hübscher, Babette Sigg, Reto Brennwald (Moderation), Prof. Dr. Mathias Binswanger, Christian Hofer.