03.09.2024, von Schweizerisches Konsumentenforum

Das Erfolgsrezept der Menschwerdung ist die Vielfalt seiner Ernährung

Das Zürifäscht mit über 1 Million Besucherinnen und Besucher ist abgeschafft. Flugschau, Feuerwerk und Essensstände sollen der Umwelt schaden, heisst es. Basel hat den 1. August auf Halbmast gefeiert, weil Wurst vom Grill der Umwelt schaden soll. Wie weit soll das noch gehen? Ein Meinungsbeitrag von Hartmuth Attenhofer, Präsident Carna Libertas

Die Stadt Basel rühmt sich, an der offiziellen 1.-August-Feier durch die Halbierung des Feuerwerks und die Halbierung des Fleischangebots an den Ständen den CO2-Ausstoss und den Energieverbrauch massiv gesenkt zu haben. Doch stimmt das? Zum Teil. Nur das halbe Feuerwerk bedeutet tatsächlich eine Halbierung des Ausstosses an umweltschädlichen Stoffen. Ganz anders aber bei den Essensständen. Die Stiftung myclimate will errechnet haben, dass an Grossfestivitäten 40 Prozent der Umweltbelastung durch das Essen verursacht werden. Mit der Halbierung des Fleischangebots würden somit auch 20 Prozent der ernährungsbedingten Umweltschäden dieses Events verhindert, wird damit insinuiert.

Doch das ist die klassische Milchmädchenrechnung. Denn die Festbesucherinnen und Festbesucher mit ihren Kindern werden den durch den Fleischwegfall höheren Kalorien- und Proteinbedarf durch den gesteigerten Konsum an fleischlosen und proteinarmen Nahrungsmitteln wettzumachen versuchen. Und deren Produktion beansprucht ebenfalls Energie und verursacht Umweltbelastungen. Erzeugen, transportieren, kühlen, erhitzen, verpacken, entsorgen ist immer anspruchsvoll – ob Bratwurst oder Tofu. Die Vorhaltung von myclimate, die Verpflegung an solchen Festivitäten würden 40 Prozent des Ökobelastung ausmachen, ist zudem leere Drohung, denn wenn das Fest nicht stattfindet, ernähren sich die ausbleibenden Massen trotzdem.

90’000 Menschen besuchten die Feiern in Basel. Nehmen wir an, diese Besucher hätten im Normalfall 50’000 Bratwürste beziehungsweise adäquate Fleischprodukte konsumiert. Durch die Halbierung des Angebots werden es wohl nur noch knapp 30’000 gewesen sein. Diese 30’000 Bratwürste wurden im Kollektiv gebraten, das heisst, der Energieaufwand pro Wurst ist massiv geringer, als wenn die Wurst allein oder zu zweit, zu dritt in der heimischen Bratpfanne oder auf dem Gartengrill gebraten wird. Die 20’000 Bratwurstesser, die an der Basler Nationalfeier leer ausgegangen sind, holen das Manko selbstverständlich nach –  und schon ist die famose Berechnung von myclimate Makulatur.

 

Das böse Fleisch…

Die Basler Bratwurst ist nur das jüngste Beispiel einer landesweit zu beobachtenden Kampagne gegen die genussvolle und physiologisch vernünftige Ernährung. Das Fleisch wird darin als das Böse schlechthin dargestellt. Auch die Milchprodukte (Käse, Joghurt, Quark, Milch) werden verteufelt, da sie ohne die ihr vorangehende (und nachgehende) Fleischproduktion nicht herstellbar sind. Dabei sind alle tierlichen Nahrungsmittel, also auch Geflügel und Fisch hochpotenzielle Träger von Proteinen, die der Mensch am besten, schnellsten, schonendsten und effizientesten metabolisieren kann. Proteine sind essenziell für die Ernährung. Pflanzliche Proteine, die vorab in Leguminosen (Linsen, Erbsen usw.) vorkommen, sind auch sehr wertvolle Nährstoffe. Sie haben aber gegenüber den fleischlichen Proteinen den Nachteil, schwerer und weniger effizient verdaut werden zu können.

Der Proteinbedarf des Menschen liegt bei 0,8 Gramm pro Normalkörpergewicht. Im Wachstum und im Alter braucht der Körper aber 1 bis 1,2 Gramm. Diesen Bedarf ganz ohne tierliche Produkte decken zu wollen ist höchst problematisch. Versuche im vorletzten Jahrhundert, den Proteinbedarf mit Leguminosen zu decken, mussten abgebrochen werden, weil die Probanden psychische Schäden davongetragen hatten; nachzulesen ist das bei Georg Büchners Woyzek. Die Evolution des Menschen ist ohne Fleisch nicht denkbar. Vor rund zwei Millionen Jahren begann der Früh- beziehungsweise Vormensch Fleisch zu essen. Das führte zu einem anhaltenden Wachstum des Gehirns. Als er schliesslich noch das Feuer bändigen, also braten und kochen konnte, vergrösserte sich das Gehirnvolumen markant. Denn gegarte Speisen, ob pflanzliche oder tierliche, können besser, schneller, effizienter und hygienisch sicherer gegessen und verdaut werden als rohe. Das gesamte Verdauungssystem des heutigen Menschen ist vom Mund bis zum Darm polyvalent ausgebildet; er kann (von einzelnen giftigen Lebewesen abgesehen) alles essen, was die Natur hergibt. Das Erfolgsrezept der Menschwerdung ist die Vielfalt seiner Ernährung.

 

…ist an allem schuld

Alles, was der Mensch tut, schadet der Umwelt. Das mag verwegen klingen, ist aber physikalisch und chemisch nachvollziehbar. Wir stossen beim Atmen CO2 aus. Unser heimeliges Cheminée-Feuer stösst arge Russfahnen aus. Wenn wir uns mit dem Zug, dem Auto, dem Schiff oder dem Flugzeug transportieren lassen, ist unser indirekter und direkter Schadstoffausstoss erheblich und letztlich nur graduell unterschiedlich. Sogar zu Fuss gehen ist nicht schadlos, denn der Sohlenabrieb erzeugt Mikroplastik und die zertrampelten Ameisen fehlen der regenerativen Natur. Rennt ein Mensch durch eine blühende Wiese, richten sich die geknickten Halme wieder auf. Rennen jeden Tag 1000 Menschen über die Wiese, ist sie futsch. Die Pfahlbauer haben sich am Zürichsee nach der Verdauung im See erleichtert und dem See war das recht. Täten wir das heute noch, kollabierte der See. Es ist die schiere Menge an uns Menschen, die der Umwelt zu schaffen macht, und nicht das, was wir essen, und wieviel davon.

Aber schuld an allem ist das Fleisch. Ob Klimawandel, Biodiversität, Welthunger oder Ozonloch: Wann immer in Politik, Verwaltung und in den Medien vom Fleischkonsum die Rede ist, wird mit erhobenem Zeigefinger gemahnt, dessen Verringerung würde die allgemeine Lage verbessern. Kein Kochrezept in irgendeiner Zeitung oder im Fernsehen, in dem nicht darauf hingewiesen wird, dass weniger Fleisch besser ist – und sei es nur zur Beruhigung des Gemüts. Extremformen dieses Schlechtmachens des Fleisches tauchen in der Politik auf. Es wird gefordert und teilweise auch durchgesetzt, dass in Tagesschulen, Mensen, Gefängnissen, Kantinen, Spitälern, Jugend-  und Altersheimen das Fleisch von den Tellern weitgehend verschwinden soll. Das ist in mehrfacher Hinsicht verwerflich, weil einerseits die Nutzerinnen und Nutzer dieser Einrichtungen sich wegen eingeschränkter Mobilität nicht alternativ verpflegen können. Andererseits sind gerade in diesen Institutionen neben vulnerablen Menschen auch solche im Wachstum und im Altersabbau betroffen, die auf eine ausgewogene und effizient metabolisierbare Ernährung angewiesen sind. Und dazu gehören zwingend Fleisch- und Milchprodukte.