Licht und Schatten — Zweiter OncoRoundtable kf in Bern
Die medizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Krebs in der Schweiz wird von der Bevölkerung sehr geschätzt, wie aus einer neuen repräsentativen gfs-Umfrage hervorgeht. Trotzdem besteht beispielsweise bei der Früherkennung oder der Betreuung der Angehörigen Verbesserungsbedarf. Am zweiten, vom Schweizerischen Konsumentenforum (kf) veranstalteten OncoRoundtable in Bern diskutierten Fachleute, wie es nach dem Auslaufen der nationalen Krebsstrategie mit der Versorgung von Krebsbetroffenen weitergehen könnte.
Dank besserer Heilungschancen gibt es in der Schweiz immer mehr Menschen, die mit Krebs leben oder die ihre Krankheit besiegt haben. In einer von der Firma MSD in Auftrag gegebenen und von gfs.bern durchgeführten, breit angelegten repräsentativen Umfrage mit rund 1‘500 Teilnehmern wollte man erstmals untersuchen, wie die Qualität der Versorgung von Krebserkrankungen von der Schweizer Bevölkerung empfunden wird. An diesem Anlass wurden die Ergebnisse erstmals öffentlich vorgestellt.
Grundsätzlich gute Beurteilung
«Grundsätzlich haben das Schweizer Gesundheitssystem und die wissenschaftliche Forschung in der Bevölkerung eine sehr gute Reputation», erklärte Projektleiter der Befragung, Dr. phil. Tobias Keller, von gfs.bern. Tatsächlich sehen in der Umfrage rund 90 % der Teilnehmer eine gute bis hervorragende Versorgungsqualität bei Krebserkrankungen. Dieses positive Zeugnis fiel bei Krebsbetroffenen mit 95 % Zustimmung sogar noch deutlicher aus. Die beste Beurteilung erhielt die Versorgung im Spital: Rund 80 % aller Befragten waren sowohl mit den Ärzten als auch den Pflegekräften zufrieden. Zudem sah eine Mehrheit die medikamentöse Behandlung positiv. Allerdings verstrich nach Ansicht einiger zu viel Zeit, bis ein Termin bei spezialisierten Ärzten zustande kam. Auch der Zugang zu Informationen für Angehörige und deren psychologische Unterstützung wurde bemängelt.
«Wenn man auf Verbesserungssuche ist, kann hier angesetzt werden», erklärte Dr. Keller. Auch unter den 136 persönlich von Krebs Betroffenen war die grundsätzliche Zufriedenheit mit Therapie, Betreuung und Informationszugang sehr hoch. Entsprechend würde sich die überwiegende Mehrheit wieder auf den gewählten Behandlungsweg begeben. Allerdings zeigt die Umfrage aHandlungsbedarf: So wären 47 % froh gewesen, wenn ihr Krebs früher entdeckt worden wäre und 36 %,uch wenn früher Informationen zur Krebsprävention vorgelegen hätte. Die grösste Hilfe bei der Bewältigung der Krebserkrankung und ihrer Folgen erhielten die Betroffenen durch ihre Angehörigen und Spezialisten, die Pflege im Spital, die Hausärzte und die Krankenkassen.
Neue Volksinitiative zur Krebsstrategie?
Schon seit längerem wird eine Neuauflage der kürzlich beendeten «Nationalen Strategie gegen Krebs» gefordert. Allerdings war bei rund dreiviertel aller Befragten diese Initiative unbekannt, und auch die selbst von Krebs Betroffenen wussten mehrheitlich nichts von einer solchen Strategie. Nach entsprechender Aufklärung gaben 84 % der Befragten jedoch an, dass sie bei einer Volksabstimmung für eine neue nationale Krebsinitiative stimmen würden. Fast alle waren der Meinung, dass mit einer Krebsinitiative die Früherkennung, Prävention und psychologische Betreuung der Angehörigen besser unterstützt werden könne.
Allerdings müsse eine mögliche Volksinitiative zur nationalen Krebsstrategie realistisch angegangen werden, betonte Lukas Golder, Co-Leiter bei gfs.bern. Nur wenn die Bevölkerung davon überzeugt werden könne, dass es durch die Initiative längerfristig zu einer Verbesserung der Versorgung komme, sei mit einem positiven Ausgang zu rechnen. Den meisten Menschen in der Schweiz sei bewusst, dass der derzeitige Mix aus privater und staatlicher Versicherung zu einer guten Versorgung führe.
Regionale Unterschiede bei Vorsorgeuntersuchungen
Wichtiger Teil einer nationalen Krebsstrategie ist die Früherkennung. In einer Studie der Helsana-Versicherung wollte man in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich und dem nationalen Forschungsprogramm erfahren, wie verbreitet Vorsorgeuntersuchungen in der Schweizer Bevölkerung sind. Die Auswertung eines sehr grossen Versichertenkollektivs mit über 300‘000 älteren Personen zeigte, dass jährlich rund 9 % eine Darmkrebsfrüherkennung, rund 21 % eine Mammografie und rund 31 % einen PSA-Test in Anspruch nehmen. Während bei der Anzahl der Darm- und Prostatakarzinom-Früherkennungen eine leichte Zunahme zu verzeichnen war, kam es bei der Brustkrebsvorsorge zwischen 2016 und 2018 zu einer geringfügigen Abnahme, berichtete Dr. Caroline Bähler von der Helsana. Hochgerechnet auf die Zeitdauer eines Screeningintervalls hätten sich 58 % einem Darmkrebsscreening und 37 % einer Mammografie unterzogen.
Ein genauerer Blick auf die Ergebnisse offenbart jedoch erhebliche Unterschiede bei den Personengruppen und Regionen. So war die Bereitschaft zur Vorsorgeuntersuchung höher bei Personen mit Berührungspunkten zum Gesundheitswesen und beim Vorhandensein einer Zusatzversicherung. Zudem lag die Zahl der Mammografien und der PSA-Tests in den französisch- und italienischsprachigen Regionen höher als in der Deutschschweiz. Auch kantonale Screeningprogramme machten sich positiv bemerkbar. «Die regionalen Unterschiede sind doch beachtlich», resümierte Dr. Bähler. Trotzdem sei man hinsichtlich interventionistischer nationaler Massnahmen seitens der Helsana eher zurückhaltend, man setze eher auf die Stärkung der Aufklärung und Gesundheitskompetenz.
Jährlich 6’300 neue Mammakarzinogene
«Der Befund ist schlecht, es ist Brustkrebs. Die Brust muss entfernt werden.» Diese Worte hallen auch nach 21 Jahren noch nach, wenn sich Donatella Corbat an den Tag erinnert, der ihr Leben veränderte. Panik, Todesangst, Selbstvorwürfe und Selbstmitleid – viele verstörende Gefühle stürzten auf sie ein. Die Präsidentin des Schweizer Brustkrebsforums «Europa Donna» berichtete, wie sie mühsam Informationen zusammensuchen musste, wie sie ihr Leben neu ordnete und wie sie in die Normalität zurückfand. Diese Erfahrungen waren so prägend, dass sie begann, sich für Frauen mit Brustkrebs zu engagieren.
Schätzungen gehen davon aus, dass rund 70‘000 Frauen mit dieser Erkrankung leben. Die gute Nachricht: die Sterblichkeit geht zurück. Im Vergleich zu damals seien die Betroffenen besser über die Krankheit informiert, so Corbat, «Brustkrebs ist kein Tabu mehr». Heute würden die meisten Patientinnen gut betreut, die Diagnose könne rasch gestellt werden, die Behandlungen sind zielgerichtet und oft brusterhaltend. Trotz dieser Fortschritte gibt es Verbesserungsbedarf. So werden die mangelnde Zeit der Ärzte beklagt oder mehr Angebote für die Angehörigenoder mehr Vernetzungsmöglichkeiten gefordert. Viele Betroffene fühlen sich nach der Therapie alleingelassen. Zum ungewissen Ausgang der Krankheit kommen häufig noch Sorgen um das Familienleben, die eigene Attraktivität, Sexualität und die Rückkehr zur Arbeit. Auch, dass in der Schweiz bei Vorsorgeuntersuchungen so grosse kantonale Unterschiede bestehen, sei absurd, sagte Corbat.
Text und Fotos: Dr. Klaus Duffner, Mehr Information unter: www.europadonna.ch
Das schweizerische Konsumentenforum kf bedankt sich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern und freut sich bereits auf den nächsten OncoRoundtable.