Pressevertrieb – wichtig für die Schweiz! Überall-Erhältlichkeit in Gefahr
In der Herbstsession hat sich der Nationalrat mit dem “Massnahmenpaket zugunsten der Medien“ des Bundesrates befasst. Die Debatte dominierte die Kontroverse um die Onlinemedien-Förderung. Dabei droht der wichtige Pressevertrieb vergessen zu gehen.
Eine Studie im Auftrag des deutschen Bundes der Zeitungsverleger (BDZV) ergab unlängst, dass die von den Redaktionen geleistete Einordnung des aktuellen Geschehens für 86% der Leserinnen und Leser eine wichtige Orientierungshilfe ist. Die Studie zeigt, dass die Menschen gerade in der Corona-Krise ein Bedürfnis nach sicheren Informationen haben. Dafür sind gedruckte Zeitungen essenziell, weil sie grosses Vertrauen geniessen. Dies gilt insbesondere auch bei jungen Menschen: Ständerätin Lisa Mazzone bemerkte in der Debatte über das Medienförderungspaket des Bundesrats unlängst, dass die Meinungsmacht der gedruckten Zeitungen bei Jüngeren besonders hoch ist.
Überall-Erhältlichkeit von Zeitungen und Zeitschriften ist entscheidend
Ich Nicht alle Personen in der Schweiz haben ein Print-Abonnement. Für diese Menschen ist es entscheidend, dass ihre Zeitung oder Zeitschrift am Kiosk erhältlich ist. Anders als das Zeitungsabo ermöglicht es die Presseauslage am Kiosk, in der Tankstelle oder im Supermarkt verschiedene Perspektiven in der Berichterstattung direkt zu vergleichen – eine Art “neutraler Pressespiegel“. Leserinnen und Leser sollten die Freiheit haben, unterschiedliche Medien zu konsumieren, ohne ein Abo abschliessen zu müssen. Starke und vielfältige Medien sind eine demokratiepolitische Notwendigkeit.
Gleicher Preis für alle – unabhängig von Liefermenge und Standort
Die Schweiz verfügt über ein dichtes Netz von rund 5’500 Presseverkaufsstellen unterschiedlichster Branchen. Sie werden täglich mit aktuellen Zeitungen und Zeitschriften beliefert – zum gleichen Preis, unabhängig von Liefermenge, Transportweg oder Standort (ob Pontresina, Grächen, Porrentruy oder Bern). Davon profitieren kleine Lokal- und Regionalmedien und Orte in der Peripherie besonders stark.
Die 7Days Media Services mit Sitz in Egerkingen stellt den neutralen und flächendeckenden Pressevertrieb in der Schweiz sicher. Nur dank diesem einzigartigen System ist in der Schweiz die Überall-Erhältlichkeit unterschiedlichster Zeitungen und Zeitschriften gewährleistet. Dieser Service Public sorgt für die Gleichbehandlung aller Landesteile und Bevölkerungsgruppen im Land. Die Überall-Erhältlichkeit und Pressevielfalt müssen auch in Zukunft sichergestellt werden. Dies ist aufgrund der sinkenden Printauflagen bei gleichzeitig steigenden Kosten herausfordernd.
Für eine kanalneutrale indirekte Presseförderung
Die Schweizer Medien sehen sich einer paradoxen Situation gegenüber: Während die Werbeeinnahmen einbrechen, nehmen die Leserzahlen im Online-Bereich zu, und die Print-Nachfrage ist rückläufig. Die Medien befanden sich schon vorher in einer heiklen Transformationsphase hin zu neuen Finanzierungsmodellen durch Online-Kanäle und andere Geschäftsbereiche. Die Corona-Pandemie trifft sie in einem besonders verletzlichen Zustand und beschleunigt den Strukturwandel.
Der Bundesrat hat daher die Umsetzung seines Medien-förderungspakets beschleunigt. Leider ging bei diesem Paket der Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften über den Presse-Gross- und Einzelhandel vollkommen vergessen. Angesichts der rückläufigen Auflagen und der Corona-Krise benötigt der Pressegrossvertrieb Unterstützung, um dieses einzigartige flächendeckende und neutrale System zu erhalten. Es ist, wie Ständerat Hannes Germann bemerkte, “ein Stück Demokratie“. Es braucht deshalb eine anbieter- und kanalneutrale Presseförderung, welche sowohl den Abo-Kanal als auch den Pressegrossvertrieb miteinbezieht.
Thomas Kirschner
CEO 7Days Media Services
Kurzinterview mit Babette Sigg, Präsidentin des Konsumentenforums zum Thema Pressegrossvertrieb
Sie plädieren dafür, dass der Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften Service Public sei. Was erhoffen Sie sich davon?
Die Überall-Erhältlichkeit von Zeitungen und Zeitschriften ist ein Teil der Grundversorgung. Für Konsumentinnen und Konsumenten ohne Abo ist es entscheidend, dass Zeitun-gen und Zeitschriften auch am Kiosk / im Einzelhandel erhältlich sind. Das Konsumentenforum setzt sich dafür ein, dass diese Wahlfreiheit für Leserinnen und Leser in der ganzen Schweiz, egal ob in urbanen oder in dünn besiedelten Gebieten, erhalten bleibt.
Was sind konkret die Befürchtungen des Konsumentenforums, wenn staatliche Unterstützung für den Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften in Schweizer Kiosken ausbleibt?
Der Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften in kleinen Mengen an abgelegene Orte und ländliche Regionen ist nachvollziehbarerweise ein Verlustgeschäft, wie die Valora und 7Days betonen. Insbesondere für Verkaufsstellen, die nicht in Ballungszentren liegen oder ein überschaubares Pressesortiment anbieten, besteht das Risiko, dass sie zukünftig aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr beliefert werden können. Im Zuge der Corona-Krise hat sich dieses Problem akzentuiert. Die Valora musste z.B. ankündigen mehrere Kioske in ländlichen Regionen zu schliessen. Für die betroffene Bevölkerung ist das dramatisch. In kleinen Gemeinden sind Kioske und Dorfläden häufig die einzigen Verkaufsstellen in Gehdistanz für Presseprodukte, Grundnahrungsmittel, Snacks, Getränke und kleinere Elektrowaren.
Wie setzt sich das Konsumentenforum für das Anliegen des Pressegrossvertriebs ein?
Das Konsumentenforum hat sich im August gemeinsam mit dem Schweizerischen Gemeindeverband und der Valora in einem Schreiben direkt an die Mitglieder der KVF-N gewandt und an sie appelliert, die Situation ernst zu nehmen. Wir wollten ein Zeichen setzen, dass jetzt gehandelt werden muss und nicht erst in drei bis vier Jahren, wenn ein Schrei durchs Land geht, weil gewisse ländliche Regionen nicht mehr vom Pressegrossvertrieb bedient werden können.