«Game-Changer» auf dem Teller? Gehört Laborfleisch die Zukunft?
Die amerikanische Lebensmittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) hat in den USA nun das zweite Laborfleischprodukt genehmigt. Da stellen sich zwei essenzielle Fragen: Ist das ein Vorbild für die EU und die Schweiz? Und: Was können wir von der neuen Technologie erwarten; wird Laborfleisch der neue «Game-Changer»?
Wird Laborfleisch die «neue (R)Evolution» menschlicher Ernährung?
Ja. Das kann durchaus eine Revolution auf Teller, Grill und Spiess werden. Denn wir befinden uns in einer wachsenden Phase des Flexitarimus, in dem Fleischkonsum besonders aus ethischen Gründen kritisch bewertet und daher der Konsum kontinuierlich reduziert wird. Trotzdem essen auch diese Menschen gerne Fleisch, weil es ihnen gut schmeckt – denn es ist ernährungsphysiologisch betrachtet ein absolut hochwertiges Lebensmittel, wenn die Qualität stimmt. Habe ich nun die Wahl zwischen «ein Tier musste für mich sterben» oder «gleiches Fleisch ohne Tiertod», dann wird der Konsum zugunsten «todfreiem» Laborfleisch wieder steigen – vorausgesetzt, es ist mit echtem Fleisch in allen sensorischen und ernährungsphysiologischen Faktoren vergleichbar.
Welche Vorteile hat Laborfleisch gegenüber «normalem» Fleisch?
Ganz klar steht hier die ethische Frage im Fokus: «Es muss kein Tier gezüchtet, gehalten und getötet werden, damit ich Fleisch essen kann.» Dieser Kernaspekt dominiert alles andere. Hinzu werden wahrscheinlich Umwelt-Themen kommen, aber dafür ist es noch zu früh, denn bis dato weiss niemand, in welchem Massstab und welchen Bereichen die Massenproduktion von Zellfleisch Klima und Umwelt mehr oder weniger schädigt als konventionelle Viehzucht.
Thema «Sicherheit»: Welche Gefahren bringt Laborfleisch für den menschlichen Verzehr?
Wenn es eine Zulassung erhält (es gibt ja in der EU bislang noch nichts zu kaufen), dann wird es sicher sein. Denn bevor ein neues Lebensmittel in Europa verkauft werden darf, muss es einen Zulassungsprozess durchlaufen und durch die zuständigen Behörden als sicher zertifiziert werden. Das wird durch die Novel-Food-Verordnung geregelt, in der die Sicherheit von Zellfleisch gründlich geprüft wird. Liegt die Zulassung vor, gilt das neue Lebensmittel als sicher. Und darauf kann man sich grundsätzlich verlassen.
Und wie sieht der Impact von Laborfleisch auf die Umwelt aus?
Da es bislang nur in Testlaboratorien respektive in kleinen Mengen hergestellt wird, lässt sich diese Frage noch nicht klar beantworten. Erst wenn Zellfleisch zu einem Alltagsprodukt im Supermarkt wird, können die entsprechend relevanten Klima- und Umweltbilanzen erstellt werden. Meine persönliche Vermutung ist: Es wird in puncto Umweltbelastung besser als konventionelles Fleisch abschneiden.
Die wichtigste Frage: Schmeckt Laborfleisch anders als unser bisheriges Fleisch?
Gute Frage, wenn nicht gar die entscheidende Frage für den Erfolg! Ich kann sie leider noch nicht beantworten, da ich noch kein Laborfleisch probiert habe. Und Geschmack ist bekanntlich stets individuell unterschiedlich. Und genau davon wird die Akzeptanz der Verbraucher und der potentielle Erfolg abhängen: Schmeckt Zellfleischsteak genauso gut wie ein echtes saftiges Rumpsteak, beisst und kaut es sich genauso angenehm, riecht es köstlich, passt die Sensorik, esse ich es mit intuitivem Genuss? Und: Was sagt der Darm, wie gut wird es verdaut, wie fühlen sich die Menschen nach dem Verzehr? Das werden die entscheidenden Fragen sein.
Wovon wird der Erfolg neben dem Geschmack noch abhängen?
Ganz klar: Vom Preis. Wenn sich nicht nur wohlhabende Flexitarier das Kunststeak leisten können, sondern es für die breite Masse der Bevölkerung erschwinglich sein wird, dann kann es ein wirklicher «Game Changer» auf dem Teller werden.