Freizeit-Tipp: Gratis ins Omega-Museum
Omega ist zwar der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets, in der Schweiz hingegen eine der ersten Adressen für Luxusuhren… und gut gemachte Ausstellungen.
Wenn sich der Goldene Herbst dem Ende zuneigt, die Tage nebliger und das Wetter garstiger werden, verbringt man seine Freizeit nicht mehr so häufig draussen. Man sitzt zuhause, liest Bücher, schaut fern, entsorgt die Sommerkleider… Paradoxerweise ist es zu Hause aber am schönsten, wenn man vorher draussen gewesen ist und das innere Meerschweinchen überwunden hat. Wie wäre es also mit einem Trip in die Uhren-Weltmetropole Biel, um dort das gut ausgestattete Omega-Museum zu besuchen? Der Eintritt ist frei.
Der Drache von Biel
Bereits die Ankunft gestaltet sich spektakulär: Der 2019 eingeweihte Hauptsitz der Swatch Group stammt aus der Feder des japanischen Stararchitekten Shigeru Ban. Das Gebäude gilt als eine der weltweit grössten Holzkonstruktionen und «fordert aktuelle Konventionen heraus». Auf jeden Fall fördert es die Fantasie der Betrachter, denn der «Swatch-Drache» scheint gerade dabei zu sein, das viel kleinere Omega-Gebäude zu verschlingen – und gibt damit auch die Machtverhältnisse zwischen den beiden wieder, schliesslich gehört Omega zur Swatch Group und nicht umgekehrt.
Hat man seine Augen von diesem Monumentalbau abgewendet und nähert sich dem Museumseingang, folgt schon das nächste Augenfutter: die im Massstab 1:1 nachgebaute Mondlandefähre «Eagle», welche wohl als bester Werbeträger (wortwörtlich) in der Geschichte der Uhrenindustrie gilt.
Der beste Werbespot in der Geschichte der Uhrenindustrie
Omega blickt auf eine über 173jährige Geschichte zurück, wurde einer breiten Weltöffentlichkeit aber vor allem im Jahr 1969 bekannt: Neil Armstrong, der erste Mensch auf dem Mond, hatte seine Omega «Speedmaster» noch in der Raumkapsel zurückgelassen, doch Buzz Aldrin, der 15 Minuten später den Mond betrat, trug seine «Speedmaster» ungeschützt und mit einem überdimensionierten Armband um das linke Handgelenk. Ein kleiner Schritt für ihn, ein grosser für die Schweizer Uhrenindustrie.
Dabei war die erste Uhr im Weltall gar keine Omega, sondern eine sowjetische «Poljot Strela», welche bereits 1961 vom Kosmonaut Alexei Leonow freischwebend im All getragen wurde. Doch die gewaltige Inszenierung der Mondlandung acht Jahre später trug wesentlich dazu bei, dass Omega den anderen Marken die Show stehlen konnte. Mit entsprechend grosser Kelle richtet das OmegaMuseum diesen Teil seiner lunaren Geschichte an: Ausser der Mondlandefähre sind ein Nachbau des Mond-Elektrofahrzeugs «Lunar Roving Vehicle», Astronautenanzüge, eine Kommando-Station, historische Fotos und Dokumente aus dieser Zeit ausgestellt.
Lizenz zum Ausstellen
Mit dem Einsatz auf dem Mond (die Omega-Uhren funktionierten nach den Mondspaziergängen immer noch) bewies Omega nicht nur ein goldenes Händchen für geschickte Vermarktung, sondern auch, dass die Chronometer einiges aushalten und technisch auf dem höchsten Stand sind. Uhren also, die den gehobenen Ansprüchen eines gewissen Agenten Ihrer Majestät durchaus gerecht werden: Seit «Golden Eye» (1995) mit Pierce Brosnan haben alle 007er eine Omega-Uhr getragen. Bond-Fans dürfen sich darum über die Mini-Ausstellung freuen, in der sämtliche Omega-Modelle Bonds mitsamt Filmplakaten ausgestellt sind.
Die Uhrenmacher aus der «Stadt der Zeit» beweisen damit, dass sie marketingtechnisch weltweit in der ersten Liga spielen, gilt doch die Bond-Marke als Heiliger Marketinggral der Filmindustrie, der vor lauter Produkt-Platzierungen beinahe überzulaufen droht. Miss Moneypennys Lieblingsspion verlässt sich übrigens in fast jedem Film auf einen Schweizer Zeitmesser: In «Dr. No», dem ersten Bond-Film überhaupt, trug Sean Connery eine Rolex «Oyster Perpetual». Weitere Schweizer Marken in späteren Bond-Filmen waren TAG Heuer und Breitling. Ob sich Omega diese kostspieligen Auftritte für künftige Bond-Filme weiter leisten wird – wenn es dann heisst: «Gestatten, mein Name ist Bond, Jacqueline Bond» – steht noch in den Hollywood-Sternen.
Recording Olympic Dreams since 1932
Als am 23. Juni 2021 die Olympischen Spiele in Tokio eröffnet werden, ist Omega zum 29. Mal der offizielle Zeitmesser für alle 339 Wettkämpfe der 33 olympischen Disziplinen. Unglaubliche 400 Tonnen Material werden nach Japan verschifft, 200 Kilometer Kabel verlegt und 530 Zeitmessungsprofis, unterstützt von 900 Freiwilligen, kommen zum Einsatz.
Stellvertretend dafür steht im Museum eine Neun-Meter-Aschenbahn mit integrierter Zeitmessung und FotoFinish zum freien Gebrauch zur Verfügung.
Es gäbe noch einiges über das Omega-Museum zu berichten. Nicht eingegangen wird aus Platzgründen auf die anderen Brüder im Geiste Neil Armstrongs, die ebenfalls Omega-Uhren trugen und auch im Museum dokumentiert sind: Tiefseeforscher Jacques Cousteau und Flugpionier Bertrand Piccard. Ausserdem gibt es ein 360° Kino, welches in einem 7-minütigen Film die Geschichte Omegas effektvoll wiedergibt.
Planet Swatch Museum
Dann wurde es plötzlich persönlich: Nostalgie-Gefühle erwarteten mich eine Etage höher, im Planet Swatch Museum (ebenfalls kostenloser Eintritt). Als Kind der 80er und Teenager der 90er Jahre ist mir der SwatchHype um die peppigen Billiguhren noch sehr gut in Erinnerung. Die 1983 gegründete Marke feierte vom Start weg sehr gute Verkaufszahlen, und nicht wenige Schweizer Schüler wie ich trugen damals eine Swatch am Handgelenk. Gross war darum die nostalgische Freude, als ich im Planet Swatch Museum tatsächlich zwei Uhren meiner Kindheit wiederentdeckte! In solchen Momenten fühlt man sich alt und jung zugleich…
Es können aber nicht nur Swatch-Uhren der 80er und 90er betrachtet werden, beinahe alle Swatch-Modelle, die je produziert worden sind, finden sich in dieser Ausstellung. Inklusive diverse Kuriositäten wie bspw. eine der dünnsten Uhren der Welt (3.9 Millimeter) oder die «Maxi Watches» genannten Wanduhren.
Das Image der Schweiz profitiert
Den Besuchern dürfte beim Verlassen des Museums klar geworden sein, wie erfolgreich und in welchem Ausmass die Swatch Group globales Marketing betreibt. Dies kommt auch dem Image der Schweiz zugute, denn kaum eine andere Branche (Schoggi und Käse ausgenommen) steht so sehr im positiven Sinne für die Schweiz wie die Uhrenindustrie: Präzision, hohe Qualität, stilsicheres Design und natürlich Pünktlichkeit. Das ist umso lobenswerter, als in den letzten Jahrzehnten viel Schweizerisches, das identitätsstiftend gewesen ist, verloren ging: Die Flugzeuge der Swissair fliegen nicht mehr, die Saurer-Lastwagen schrotten vor sich hin, Swisscom und Post befremden uns, die Schweizer Grossbanken haben jeglichen Goodwill verspielt. Beliebte Warenhäuser wie ABM und EPA mussten überteuerten Globus- und Coop-Filialen Platz machen. Ovomaltine gehört den Engländern, Toblerone den Amerikanern, Aromat den Holländern und Syngenta den Chinesen. Doch dass die Zeit für Schweizer Marken in Schweizer Besitz nicht abgelaufen ist, beweist die Uhrenindustrie. Egal ob Omega, Swatch*, Rolex*, Tissot, Patek Philippe*, Breguet, Blancpain oder IWC: Sie alle sind nach wie vor in Schweizer Hand. Das Omega-Museum ist darum eine gute Erinnerung für alle, die vergessen haben, was «Swissness» im Idealfall bedeutet. Und auch wer bloss Spass haben will, dem sei ein Omega-Museumsbesuch in der «Cité du Temps» wärmstens empfohlen.
Dominique Roten
Konsumentenforum
Omega Museum & Planet Swatch
Nicolas G. Hayek Strasse 2
2502 Biel
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 11:00 bis 18:00 Uhr
Samstag bis Sonntag: 10:00 bis 17:00 Uhr
Montag und an Feiertagen geschlossen
Eintritt: Gratis für alle
*Zuwanderung sei Dank: Swatch wurde gegründet durch Nicolas Hayek, geboren im Libanon / Rolex wurde gegründet durch Hans Wilsdorf, geboren in Deutschland / Patek Philippe wurde gegründet durch Antoni Norbert Patek und Franciszek Czapek, beide geboren in Polen