«Freiwilligkeit ist immer besser, als wenn der Staat etwas zwingend vorschreibt»
Machen ständig neue Regulierungen die Werbung kaputt? Wirken Werbebeschränkungen, und wie sollten Unternehmen auf drohende Massnahmen reagieren? Diese Fragen diskutieren Roland Ehrler, Direktor des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbandes, Chantal Landis, Geschäftsführerin des Swiss Chapter der International Advertising Association, Torsten Tomczak, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen, Laura Loos, Marketingchefin Coca-Cola Schweiz und Österreich und Babette Sigg Frank, Präsidentin des Konsumentenforums Schweizerischen Konsumentenforum kf.
In der Schweiz und im Ausland sind Pläne für Werbeeinschränkungen und -verbote von gewissen Produkten oder Kommunikationskanäle in der Pipeline oder bereits umgesetzt. Was halten Sie von einer zusätzlichen Regulierung der Werbung?
Babette Sigg Frank: Für das Konsumentenforum sind Verbote und Regulierungen keine Option. Es kann nicht sein, dass den Konsumenten Produktwerbung vorenthalten wird und sie dadurch entmündigt werden. Zucker, Salz, Fette sind Geschmackträger; viele Produkte, die für ein Werbeverbot angedacht sind, sich nicht per se «schlecht», sondern Genussmittel, die uns den Alltag im wahrsten Sinn des Wortes versüssen.
Was würden Werbeverbote für Flugreisen, Billigfleisch, zuckerhaltige Produkte oder Genussmittel für die Schweizer Werbewirtschaft bedeuten?
Babette Sigg Frank: Eingriffe in die Werbefreiheit sind auch aus Konsumentensicht nicht zu akzeptieren. Wir wollen umworben werden; wie sonst können wir Produkte und Dienstleistungen kennenlernen, wenn sie neu auf den Markt kommen? Jedem Konsumenten und jeder Konsumentin ist bewusst, dass Werbung nicht mit neutraler Produkteinformation gleichzusetzen ist. Nicht zu vergessen ist auch der Aspekt, dass viele uns liebgewordene Medien nur dank Werbung aufrechterhalten werden können.
Sind gesetzliche Werbebeschränkungen denn überhaupt wirkungsvoll? Und gäbe es Ihrer Ansicht nach bessere Möglichkeiten, um ein gewünschtes Verhalten bei den Menschen zu erreichen?
Babette Sigg Frank: «Die Politik» hat den fundamentalen Fehler gemacht, die Bildungspläne von Lerninhalten, die nicht Bologna-relevant sind, zu säubern. Sprich: Themen wie zum Beispiel Ernährung finden keinen oder kaum mehr Platz im Unterricht. Woher sollen Kinder Kenntnisse von Ernährung und Gesundheit haben, wenn auch daheim diese Kompetenzen fehlen? Die «Znünitäschli»-Inspektion im Kanton Zürich, wo es um ein Verbot von allem «Ungesunden» geht und wo auch Bananen gnadenlos konfisziert werden, weckt bei Eltern und Kindern nicht gerade die Lust auf gesunde Varianten. Verbote bewirken gar nichts.
Was halten Sie von freiwilligen Werbeeinschränkungen? Können Unternehmen damit Werbeverbote verhindern?
Babette Sigg Frank: Branchenvereinbarungen und freiwillige Massnahmen sind in jeden Fall einem Verbot vorzuziehen. Natürlich gibt es problematische Produkte wie Tabak und Alkohol, die nicht für Kinder und Jugendliche zur Verfügung stehen dürfen. Da ist ein gewisses Werbeverbot in klar definierten Rayons sinnvoll. Diese Branchen haben sich dem öffentlichen Druck gebeugt.
Wie sollten Unternehmen auf drohende Werbebeschränkungen reagieren: sollten mögliche Beschränkungen bereits adaptiert werden oder sollte man weitermachen wie bisher?
Babette Sigg Frank: Sämtlichen Androhungen kann man immerhin etwas Positives abgewinnen: es zwingt eine Branche, zu reflektieren. «Das hämmer scho immer so g’macht» ist nicht zeitgemäss. Es lohnt sich, sich zu hinterfragen und allenfalls die Rahmenbedingungen neu zu definieren. Und nicht zu vergessen: am Ende steht der Kunde am Regal, seine Wünsche und Bedürfnisse führen je länger je mehr zu einem gewissen Druck. Wenn diesen Wünschen entsprochen wird, dann darf und soll das aber auch beworben werden können.
Wie kommunizieren Unternehmen mit der Öffentlichkeit, wenn Werbung eingeschränkt oder gar verboten wird?
Babette Sigg Frank: Als Konsumentin frage ich mich das auch! Mit Publireportagen? Mit gekauften Artikeln? Mit der Veröffentlichung von Studien, um wieder einmal in den Medien zu erscheinen? Das geht nicht auf.
Würden Sie angesichts der heutigen Situation sagen: Früher war alles besser?
Babette Sigg Frank: Früher war nicht alles besser, aber anders. Und sicher weniger komplex.
Quotes:
Babette Sigg Frank:
«Sämtlichen Androhungen kann man immerhin etwas Positives abgewinnen: es zwingt eine Branche, zu reflektieren.»
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