Trinkwasser-Initiative: Offener Brief eines Landwirts
Normalerweise bin ich nicht politisch unterwegs und belästige auch keine Mitmenschen. Jetzt ist es aber leider ernst, und ich muss meine Sicht kurz mit Ihnen teilen. Meine sowie sehr viele weitere Existenzen in der Landwirtschaft und in den vor- und nachgela-gerten Betrieben stehen auf dem Spiel.
Ich bin Landwirt mit sehr viel Herzblut. Ich möchte nicht jammern, uns geht es sehr gut in der Schweiz, jedenfalls jetzt noch. Wir setzen uns täglich von früh bis spät für eine intakte und gepflegte Landschaft und die lebenswichtige Nahrungsmittelproduktion ein. In den 25 Jahren, die ich bereits in der Landwirtschaft tätig bin, haben wir uns stetig verbessert und uns den jährlich neuen Anforderungen und Vorschriften angepasst. Wir Landwirte haben immer angenommen, dass uns die Bevölkerung vertraut und uns unsere Arbeit machen lässt. Seit ich 2005 die Meisterprüfung absolviert habe, bewegen wir uns ständig und passen uns der Politik an, die alle fünf Jahre wieder ändert. Mit der Biodiversität haben wir schon so viel erreicht.
Ich bin richtig stolz auf meine Blumenwiesen und das IP-Suisse Getreide. Wir sind auf dem richtigen Weg! Es geht nur miteinander. Nicht gegeneinander. Wir haben unseren Betrieb dermassen rationalisiert und optimiert, dass wir keine Luft mehr nach oben haben. Wir beschäftigen einen gelernten Metzger als Allrounder, einen gelernten Landmaschinenmechaniker als Allrounder und eine Tierärztin als Allrounderin. Das ist geschultes Fachpersonal, dass zu den dementsprechenden Nettolöhnen von Fr. 5000.– angestellt ist. Die Sozialabgaben bezahlen wir ihnen obendrauf, und die Naturalien sind auch noch inbegriffen. Dies ist für landwirtschaftliche Angestellte ein sehr hoher Lohn.
Die beiden Agrarinitiativen, die jetzt anstehen, sind brandgefährlich. Die ganzen Errungenschaften und Investitionen in den letzten Jahren würden auf einen Schlag vernichtet. Ironischerweise würden sich diese Initiativen negativ auf die Biodiversität und das Trinkwasser auswirken. Nur möchten das die Initianten auf keinen Fall so sehen. In den letzten Jahren wurde von uns Innovation und unternehmerisches Denken und Handeln verlangt. Ich habe mit drei Partnern eine Betriebsgemeinschaft gegründet, und jeder hat sich auf seinem Spezialgebiet professionalisiert. Wir halten Milchvieh und Mutterschweine mit den Tierprogrammen BTS und Raus und haben in den letzten Jahren sehr viel in neue Stallungen investiert. Das Tierwohl steht an erster Stelle. Jetzt soll mit der Annahme der Trinkwasserinitiative alles für die Katz’ sein?? Wir haben uns auch in der Förderung der Biodiversität massiv verbessert und haben freiwillig die vorgeschriebenen 7 % Biodiversitätsförderfläche auf 11 % erhöht. Zusätzlich haben wir unsere Öko-Wiesen zu Blumenwiesen aufgewertet, um die Kleinlebewesen zu fördern sowie freiwillig Hecken und Hochstammbäume gepflanzt. Ebenfalls wird das Getreide nach Extenso-Vorschriften angebaut (IP- Suisse). Bei einer Annahme der Trinkwasserinitiative könnten wir noch ca. 20 % unserer Schweine halten, und die Erträge im Ackerbau würden sich um 40–50 % reduzieren. Gewisse Kulturen wie Raps, Kartoffeln und Zuckerrüben würden aus unseren Augen verschwinden, denn diese können ohne Pflanzenschutz praktisch nicht mehr angebaut werden. Ebenfalls würden im ganzen Land die Problemunkräuter wie Disteln und Blacken (Anm. der Red.: stumpfblättrige Ampfer) massiv überhandnehmen.
Kurz gesagt würden die ganzen Errungenschaften, die wir auf unserem Betrieb und die Schweizer Landwirtschaft im Allgemeinen in den letzten Jahren aufgebaut haben, vernichtet. Diese Initiativen sind gut gemeint, wirken sich aber garantiert kontraproduktiv aus. Die Landwirtschaft ist so komplex, dass ich dies in diesen paar Sätzen gar nicht richtig erklären kann.
Bei einer Annahme der Initiativen hätten wir zwei Varianten:
Variante 1: Direktzahlungen optimieren, den Tierbestand um 80 % reduzieren, die drei Mitarbeiter entlassen und einem Nebenjob nachgehen.
Variante 2: Auf die Direktzahlungen verzichten, möglichst viel Schweinefleisch der Nachfrage entsprechend produzieren, das Getreide intensiv mit Pflanzenschutzmittel produzieren, Bäume und Hecken fällen und Biodiversitätsförderflächen wieder intensivieren. Ohne Direktzahlungen würde ich gezwungen, meinen Betrieb nur noch aus ökonomischen Überlegungen zu führen. Die Ökologie bliebe auf der Strecke. Anhand der genannten Gründe müssen die beiden Agrarinitiativen unbedingt abgelehnt werden. Ich hoffe auf Ihre Unterstützung und Ihre Stimme am 13. Juni für zweimal Nein!
Christian Muff
Landwirt, Schongau