Gedanken – Plastiksalat an Luftdressingtablette
«Plastiksalat an Luftdressing», steht auf der Tagestafel in der Mensa, «gefertigt aus Plastik», darunter, da seit neustem angegeben werden muss, ob das Essen aus dem 3D-Drucker oder dem Algen-Züchtungsprogramm der ISS stammt, selbstangebaut oder aus rezykliertem Plastik zusammengebastelt wurde. Ähnlich wie bei früheren Kennzeichnungen bei Fleisch, wie Haltung und Konsistenz, wird nun auch beispielsweise Salat deklariert, gab es bereits einige Beschwerden seitens der Algenallergiker, Plastikallergiker und sonstiger Allergiker, aufgrund der verblüffenden Ähnlichkeiten des Essens zu «normalem Essen». Mein Salat zum Bespiel riecht wie pflanzlicher Salat, gleicht dessen Optik, weist Blattadern und Blattriffelungen auf und wirkt daher keineswegs wie zerstossenes, gereinigtes und mit Vitaminklebstoff zu Salatblättern geformtes Plastik, welches mittlerweile aus den Meeren dieser Welt professionell geerntet wird. Plastikfarmer reinigen hiermit die plastikverunreinigten Meere und verdienen zugleich viel Geld. Dies verändert die Umwelt zum Guten, während es hingegen keine Farmer wie früher mehr gibt. Der Klimawandel zerstörte Ernten, Felder, nun stehen dort Forschungszentren, welche zunächst betrachtet monströs wirken, nun jedoch zu unserem Stadtbild und unserer Universität, an welcher ich studiere, gehören und die Welt revolutionieren. Ich nehme mir eine Schüssel voll Plastiksalat und eine Luftdressingtablette. Zugegebenermassen ist ein Salat aus PET-Flaschen, alten Plastiktüten und drei Algensorten aus dem All nicht so schmackhaft wie ein herkömmlich gewachsener von früher, als wir noch die Welt hätten retten können, ehe sie wie die Titanic unterging, ihr einen Rettungsring hätten zuwerfen können. Dieser erdige Geschmack und das unvergleichbar angenehme Knacksen auf der Zunge fehlen mir des Öfteren. Mittlerweile jedoch ist der Erden-Salat ein Luxusgut, da er kompliziert anzubauen ist. Schade eigentlich. Doch das Luftdressing ist um einiges leckerer sowie gesünder als das ölige Dressing der vergangenen Jahre, existiert es schliesslich nur in unseren Nasen, als Geruchstablette, welche wir auf unsere Lippen kleben. Zunächst war dieser weiße Klebestreifen befremdlich, doch gewöhnt man sich daran. Diese Tablette versprüht nach Aufkleben den Duft eines X-beliebigen Dressings und simuliert hierdurch dessen Geschmack. Ein Sechser im Lotto der Erfindungen der Neuzeit. Zwar ist der Ernährungswandel noch nicht fehlerfrei, manchmal explodieren Forschungslabore aus heiterem Himmel oder der Geschmack gleicht nicht dem Ideal, aber die Evolution dessen ist unaufhaltsam. Heute abend werde ich mir Saitensuppe kochen, ein Gericht aus zerschredderten Bio-Gitarrensaiten, die ich zu einem Brei verarbeite, welchen ich gewürzt zu Fleischstückchen forme. Aber der Salat ist auch lecker…
Autorin Leonie A. Schmidt