Es ist angeglüht: «Grillieren Sie, was Ihnen schmeckt – ohne Angst vor ungesunden Grillmythen»
Kaum strahlen die ersten Sonnenstrahlen warm vom Himmel, startet in Schweizer Gärten, auf den Terrassen und Balkonen die heiss geliebte Grillsaison. Genauso laut wie der innere kulinarische Vorfreudenschrei sind jedoch auch die mahnenden Stimmen vieler Gesundheitsapostel, die vor allerlei Gefahren auf dem Grill warnen. Kein Wunder also, dass es zahlreiche wundersame Empfehlungen und Regeln rund ums Grillieren gibt. Welche davon ins Reich der Mythen und Märchen gehören, das erfahren Sie – rechtzeitig vorm ersten Angrillen – nun nachfolgend.
Sehr dunkelknusprig ge(b)ratenes Grillgut gilt als krebserregend – was ist dran?
Es gibt bis heute keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis, dass der Genuss von dunkel grilliertem Fleisch jemals Krebs verursacht oder gefördert hat. Krebs ist eine individuell-multifaktorielle Erkrankung ohne klar definierbaren Auslöser – das heisst, die Tumore entstehen immer aus dem Zusammenspiel einer Vielzahl individueller Lebensstilfaktoren, und die Ärzte wissen nie genau, woher er kam und was ihn letztlich ausgelöst hat. Ergo gilt: Auch wenn beim Grillieren grundsätzlich gesundheitsschädliche Substanzen entstehen können, so heisst das noch lange nicht, dass diese Stoffe die Gesundheit auch tatsächlich schädigen – die Dosis macht das Gift, und das Grillieren im Sommer ist sicher nicht «giftig». Ausserdem ist unser Geschmack ein guter Gesundheitsindikator: Wenn Fleisch zu schwarz angekohlt oder verkokelt ist, dann schmeckt es einfach nicht mehr, der Körper lehnt es ab. Ansonsten ist der Bräunungs- und Knuspergrad natürlich individuell reine Geschmackssache. Wer in der schönen Jahreszeit also gerne grilliert, der sollte sich über die «Gesundheitsgefahr Grillrost» keine Gedanken machen, sondern sein grilliertes Fleisch mit echtem Hunger und allen Sinnen geniessen – denn das liefert gesunde Gefühle der Befriedigung.
Was kann man noch tun, damit das knusprige Grillieren „gesünder“ wird?
Viele Menschen essen intuitiv viel scharfen Senf, Zwiebeln, Knoblauch oder intensive Pfeffer-Chili-Würzungen zu ihrem Grillfleisch. Warum? Weil dem Körper das guttut und bei der gesunden Verdauung hilft. Wissenschaftliche Beweise, dass diese scharfen Beigaben die potentiell gesundheitsschädlichen Grillstoffe vollumfänglich „neutralisieren“, die gibt es natürlich nicht (weil es in der Ernährungsforschung für nichts Beweise gibt) – aber hier reicht der Appell an den gesunden Menschenverstand: Unser Körper wird schon wissen, warum er all die vielfach pharmakologisch, also stoffwechsel-aktiven Scharfstoffe zum Fleisch dazu „haben will“.
Vom Grillieren von geräuchertem Rippli und anderen gepökelten Fleischsorten wird vehement abgeraten – also besser weiterhin nur im Sauerkraut garen?
Die Warnrufe erschallen deshalb alljährlich, weil beim Grillieren von Pökelfleisch Nitrosamine entstehen können – und diese werden als potentiell krebserregend angesehen. Doch auch hier gilt wie immer und allgemein bei «Ernährungswarnungen»: nichts wird so heiss gegessen, wie es gekocht wird. Das heisst, wer sich gelegentlich ein Kasseler grillieren will, weil es ihm so fein schmeckt, der muss sicher nicht gleich an Krebs vom Grill denken. Meines Wissens ist kein einziger Fall bekannt, dass eine Krebserkrankung auch nur annähernd auf den Verzehr von grilliertem Pökelfleisch zurückzuführen war.
Grilliertes vom Gasgrill soll wesentlich weniger aromatisch sein wie Holzkohle-Grillgut – ist das so?
Ja, das ist die klassische Gretchenfrage der Grillphilosophen. Es stimmt natürlich… nicht. Denn wie aromatisch etwas schmeckt, das ist individuelle Geschmackssache – und über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Der eine mag den intensiven Rauchgeschmack der feurigen Grillkohleglut lieber, dem anderen schmeckt das Fleisch vom Gasgrill besser, weil die Hitzeeinwirkung exakter steuerbar ist. Und wer beides kombinieren möchte, für den gibt es ebenfalls die perfekte Lösung: Moderne Gasgrills haben Rauchkammern, in denen Smoking-Chips für das gewünschte Raucharoma des Grillguts sorgen.
Wie sieht es mit dem Anfeuern via Grillkohleanzünder aus: verwenden oder weglassen?
Stellen Sie diese Frage den puristischen Hardcore-Grillierern, so lautet die Antwort: nie mit Grillkohleanzünder! Alle anderen können selbstverständlich auch Grillanzünder verwenden, um die Glut schneller zu entfachen. Wer es gerne natürlich-ökologisch mag, der sollte keine chemischen Anzünder einsetzen, sondern solche auf Basis von Pflanzenöl und Holz. Eine gute Alternative, schneller zur Glut zu kommen, sind Grillkamine – diese kleinen Metalleimerchen mit Luftzuglöchern benötigen keine Grillanzünder, sondern sorgen allein mit dem Kaminzugeffekt dafür, dass die Grillkohle nach etwa 20 Minuten durchgeglüht und einsatzbereit ist. Also auch hier: Für jeden gibt es die individuell passende Lösung.
Soll man mit Bier, Wein oder anderen Getränken das Fleisch noch auf dem Grill „löschen“?
Klares Nein – das sollte man besser lassen! Welches Getränk man auch immer über das Grillgut schüttet, es führt stets zum gleichen negativen Doppel-Effekt: Sowohl die Glut als auch das übergossene Fleisch kühlen ab. Hinzu kommt: Die Flüssigkeit verdampft sofort in der Grillglut – das wiederum wirbelt Asche auf, die am nassen Fleisch kleben bleibt oder dem Grillmeister und den Gästen ins Gesicht fliegt. Und das will keiner. Ergo: Bier besser trinken als in den Grill gießen.
Manche „Grillkenner“ behaupten, dass man Fleisch besser gar nicht direkt auf den Grill liegen sollte?
Auch das ist eine Geschmacksfrage. Bei offenen Grills bekommt Fleisch eine intensivere Grillgeschmacksnote, wenn Steak & Co. direkt über der Glut grillieren anstatt neben der Grillkohle liegen und garen. Beim indirekten Grillieren in Grillkugeln hingegen ist es egal: hier liegt die Grillkohle in Körben am Rand des Grills, das Fleisch dazwischen auf dem Rost. Durch die geschlossen Grillkugel erhalten Steak und Co. auch dabei das gewünschte Grill- und Raucharoma.
Gibt es Lebensmittel, die auf keinen Fall grilliert werden dürfen?
Grundsätzlich gibt es keine Grillwarnung für irgendein Lebensmittel. Alles, was Ihnen schmeckt, können Sie grillieren. Das gilt besonders für Vegetarier und Veganer: einfach ausprobieren, was fleischfrei grilliert am besten „lukullisch performt“. Der Vielfalt kreativer Kombinationen sind keine kulinarischen Grenzen gesetzt!
Ich habe keine Zeit – kann ich tiefgefrorenes Fleisch, Fisch oder Gemüse direkt aus der Kühltruhe auf den Grill legen?
Möglich ist das, aber man sollte es besser lassen. Denn Würstchen oder Steak können aufgrund der hohen Hitze aussen schon fixfertig grilliert und gebräunt sein, aber innen sind sie noch eiskalt. Daher gilt: das gewünschte Grillgut vorher besser auftauen, soviel Zeit muss sein.
Grilliertes, gebratenes oder geschmortes Fleisch – was ist für die Gesundheit am besten?
Das wiederum ist die Gretchenfrage aller Ernährungsapostel – hier streiten sich die gesundheitsorientierten Geister je nach Ernährungsideologie. Fakt ist: Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis, dass die eine Zubereitungsmethode gesünder ist als die andere. Denn es gibt noch nicht einmal gesunde Lebensmittel: “Die Einteilung in gesunde und ungesunde Lebensmittel hat keinen Sinn”, so das Fazit der sieben großen Institutionen der Ernährungswissenschaft in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ob grillieren, braten oder schmoren – das hängt vom Fleisch ab und von den Geschmacksvorlieben. Gesünder ist in jedem Fall, was einem besser schmeckt – denn nur, was man gerne isst, kann auch gesund sein.