Die sichere Stromversorgung schaffen wir (nur) gemeinsam
Die sichere Stromversorgung der Schweiz wird enorme Anstrengungen brauchen, die wir nur gemeinsam im Zusammenspiel von Energieunternehmen, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft meistern können. Denn für die Energiezukunft gilt: Einen «free lunch» gibt es nicht. Und jeder in unserer Gesellschaft kann einen Beitrag leisten.
Die letzten Monate haben gezeigt, was Experten schon lange prophezeien: Die Stromversorgungssicherheit der Schweiz ist gefährdet. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu einer Energiekrise in ganz Europa geführt. Strom- und Gaspreise sind zeitweise regelrecht explodiert. Zudem wurde die Stromproduktion durch weitere Faktoren wie eine extreme Trockenheit oder Korrosionsprobleme bei französischen Kernkraftwerken beeinträchtigt. Vielen wurde bewusst: Eine sichere Stromversorgung ist nicht selbstverständlich – und es braucht enorme Anstrengungen, um diese in Zukunft sicherzustellen.
Die Herausforderungen sind in der Tat gross. Die Schweiz produziert aktuell etwa so viel Strom, wie sie über das ganze Jahr verbraucht. Im Sommer können wir Strom exportieren, im Winter hingegen sind wir auf Stromimporte aus der EU angewiesen. Hinzu kommt: Der Strombedarf wird weiter steigen, insbesondere aufgrund der Elektrifizierung von Heizungen und dem Verkehr. Gleichzeitig werden die hiesigen Kernkraftwerke ab den 2030er Jahren sukzessive vom Netz gehen. Die Folge: der Schweiz fehlen im Jahr 2050 rund 50 TWh Strom pro Jahr – zum Vergleich: heute produziert sie rund 60 TWh pro Jahr.
Die gute Nachricht: Technisch ist eine sichere Stromversorgung auch 2050 möglich, wie Axpo in ihrem Modell berechnet hat (Link: powerswitcher.axpo.com). Damit uns das gelingt, muss vieles zusammenpassen, denn die Energieversorgung ist ein komplexes Gesamtsystem. Die Herausforderungen müssen offen, pragmatisch und ideologiefrei angegangen werden. Oft ist das Gegenteil der Fall, und es gibt mit Blick auf das Energie-Trilemma immer noch eine weit verbreitete Realitätsverweigerung. Energie-Trilemma heisst, dass man nicht gleichzeitig maximale Versorgungssicherheit, maximalen Umweltschutz und minimale Energiepreise haben kann.
Wollen wir eine sichere Stromversorgung, braucht es Kompromisse. Es ist deshalb unverständlich, warum es praktisch gegen jedes neue Projekt Einsprachen hagelt. Wenig zielführend ist auch, dass es immer noch viel zu viel Zeit und Mühe kostet, um Genehmigungen für den Bau neuer Erzeugungskapazitäten überhaupt zu erhalten.
Stromversorgung als komplexes Gesamtsystem heisst, dass es nicht DIE Technologie gibt, die uns alle Energieprobleme lösen könnte. Vielmehr braucht es einen intelligenten Mix: Wasserkraft und Photovoltaik müssen eine zentrale Rolle spielen, ergänzt mit Wind und Biomasse und für die Bandenergie im Winter beispielsweise mit CO2-neutralen Gaskraftwerken. Die Kernkraftwerke sollen so lange betrieben werden, wie sie sicher sind. Weiter müssen wir die Stromnetze fit machen für die wachsende Stromnachfrage und den zunehmenden Anteil an erneuerbarer und dezentral erzeugter Energie. Zudem ist es eine Illusion, dass die Schweiz eine Energie-Autarkie – zu akzeptablen Kosten – erreichen kann. Es wird immer Importe brauchen, deshalb müssen wir das Verhältnis mit der EU regeln, beispielsweise mit einem Stromabkommen. Und was es vor allem braucht: einen viel schnelleren und massiven Ausbau der erneuerbaren Energien in der Schweiz.
Als grösste Schweizer Produzentin von erneuerbarer Energie haben wir eine besondere Verantwortung, die wir sehr ernst nehmen. Deshalb flossen rund 70 Prozent der Investitionen der letzten zehn Jahre in den Ausbau und Unterhalt des Schweizer Produktionsparks oder den Ausbau der Übertragungsnetze. Im Bereich Photovoltaik hat Axpo ihre Ausbauziele auf 1,2 GW versechsfacht und wird allein in die Schweizer Photovoltaik bis 2030 rund 1,5 Milliarden investieren.
Axpo plant, noch mehr erneuerbare Energien in der Schweiz zubauen. Doch noch sind die Rahmenbedingungen für Investitionen nicht ideal, auch wenn die Politik kürzlich etwa mit der Solaroffensive gute Schritte in die richtige Richtung gemacht hat. Was aber weiterhin notwendig ist: eine massive Beschleunigung und Steigerung der Erfolgswahrscheinlichkeit von Bewilligungsverfahren. In der Schweiz dauert es Jahrzehnte, bis z.B. ein Windpark errichtet werden kann, die Chancen eines Gelingens sind zudem zu tief. In Frankreich geht es von der Baueingabe bis zur Aufnahme der Produktion normalerweise nicht mehr als fünf Jahre, und die Chance des Erfolgs vor Gericht sind bei einer professionellen Projektführung hoch.
Wenn wir eine sichere Stromversorgung der Schweiz wollen, müssen wir alle Teile der Lösung sein. Die Politik muss die richtigen Rahmenbedingungen und Anreize setzen, damit der Ausbau neuer Produktionskapazitäten überhaupt möglich ist. Die Energieunternehmen stehen in der Pflicht, ihr umfassendes Know-how einzusetzen, innovativ zu sein und so viel Produktionskapazitäten zuzubauen, wie möglich ist. Die Konsumenten, also Gesellschaft und Wirtschaft, wiederum müssen akzeptieren, dass Versorgungssicherheit einen Preis hat. Die Umweltschutzorganisationen müssen das Interesse der Versorgungssicherheit ebenfalls anerkennen und in die Güterabwägung einbeziehen. Es braucht Kompromissbereitschaft, denn auch bei der Energie gilt: Einen «free lunch» gibt es nicht. Die Herausforderung ist gross, und wir alle müssen unseren Beitrag leisten. Ich bleibe optimistisch, dass wir das zusammen schaffen. Wir bei Axpo tragen als grösste Energieproduzentin der Schweiz jeden Tag mit Herzblut unseren Teil dazu bei und setzen uns mit aller Kraft dafür ein, dass die Versorgung auch in Zukunft sicher bleibt.