Slowfashion – Die Möglichkeit, wieder mehr Wertigkeit in Ihren Kleiderschrank zu bringen
Grundsätzliches zuerst: wir konsumieren. An sich nichts, was man per se verteufeln muss. Schliesslich stellt Konsum den Kern einer funktionierenden Wirtschaft wie auch eines dynamischen Arbeitsmarktes dar. Die grundsätzlichen Fragen sind nur: wie viel konsumieren wir wovon und warum?
Schwierige Fragen, gerade in der Modebranche. Hier zeigt sich das Phänomen eines von Schnelllebigkeit getriebenen Konsums. Alles muss neu sein, stets den jeweiligen Trends entsprechen – man möchte sich schliesslich ausdrücken und dazu gehören. Unter dieser Denkweise leiden nebst unserem Planeten vor allem auch die Menschen, die unmittelbar in der Bekleidungsindustrie arbeiten. Und wenn wir ganz ehrlich sind, auch die Konsumenten und Konsumentinnen selbst.
Der ganze Druck des permanent Neuen, um mitreden zu können oder eben im Trend zu sein, hat nämlich einen sehr hohen Preis. Es wird zwar billig und schnell (viel) gekauft, doch das Viele hat im Grunde genommen keinerlei Wertigkeit. Es führt zu einem Kleiderschrank voller Wegwerfware, die weder Qualitätsansprüchen standhält noch wirklich ein gesundes Verhältnis zu den erworbenen Gütern zu lässt.
Genau dem soll Slowfashion entgegenwirken. Slowfashion steht buchstäblich für die Entschleunigung der Modeindustrie mittels Verlangsamung des Konsums und gesteigerter Qualität der Kleidung, die länger getragen werden soll. Eine Riesenchance für den Konsumenten wie auch die Industrie selbst.
Chancen für den Konsumenten:
- Kleidung hat auch mit Erinnerungen zu tun – an Orte, Personen und Erlebnisse.
Einer der berühmtesten Sätze von Diana Vreeland lautete: «It’s not about the dress you wear, but it’s about the life you lead in the dress» – was so viel heisst wie: es geht nicht um das Kleid, dass man trägt, es geht um das Leben, welches man darin führt. Sprich: Kleider sind Begleiter, die zu Erinnerungsstücken werden. Sehr intime gar – wir tragen sie schliesslich auf unserer Haut. Qualität und Langlebigkeit sind daher von Vorteil. - Wert hat, worum man sich kümmert.
Einen Schuh zum Schuhmacher bringen und auffrischen lassen, eine Bluse einnehmen, nachdem man abgenommen hat, einen einzigartigen Mantel auffrischen lassen, nachdem er uns durch einige Winter gewärmt hat, ein Cocktailkleid für die Tochter auslassen, damit sie es zum Uni- oder Lehrabschluss tragen kann – Zahlreiche Beispiele für Liebeserklärungen an uns selbst und unsere treusten Begleiter. Ausserdem fördern wir damit das Bestehen von Fachfrauen und -männern in deren Handwerk. Und am wichtigsten: Man muss nicht dauernd Geliebtes loslassen. - Echter Selbstausdruck – eine Frage des Stylings
Der eigene Kleiderschrank kann zur Spielwiese des eigenen Ausdrucks und der Kreativität werden. Da braucht es etwas Experimentierfreudigkeit. Sie werden erstaunt sein, wie viele Looks sich mit einem zeitlosen, hochqualitativen T-shirt kreieren lassen. Einzigartigkeit fängt schliesslich mit uns selber an. Abgesehen davon: Trends wiederholen sich – es lohnt sich also, in etwas zu investieren, dass einem gefällt und Freude bereitet. Wenn alles nichts nützt, gibt es auch Stylisten, die Ihnen gerne zur Seite stehen.
Chancen für den Produzenten:
- Echte Kreativität – Statt Masse
Unter dem Druck, 24 Kollektionen im Jahr herauszubringen, darunter sind schon einige Designer ausgebrannt. Sich wieder mehr Zeit lassen zu können, um Zeitgeist und Innovation zu reflektieren: für jeden Kreativen ein Luxus.
- Zeit für Handwerk führt zu Innovation, Exklusivität und wirkt Fachkräftemangel entgegen
Gut Ding will Weile haben. Die eine Lösung für alles wird es nicht geben, aber viele kleinere Wege, die zu neuen Textilien, Arbeitsplätzen und Vielfalt führen, ganz bestimmt.
- Identifikation mit der Marke – Inside-Out
Wertschätzung für Produkte ist auch Wertschätzung den Macherinnen gegenüber. Produzenten, Mitarbeitende, Lieferanten wie auch Endkonsumenten haben alle etwas davon. Gelebtes Community-Building im Prinzip. - Raum für wirklich Neues, statt überfüllte Lagerräume
Statt Lagerräume mit potenzieller Salesware zu füllen, kann wieder für Exklusivität und Vielfalt gesorgt werden, in dem nicht alle ein Stück vom Gleichen haben. Mut zum Verzicht auf den Restock, führt zu Vielfalt und Individualität.
Slowfashion hat vor allem mit Sinnhaftigkeit und Innovationsprozessen zu tun. Kleider sind von Leuten gemacht und machen gleichzeitig Leute. Sich zu kleiden ist schliesslich
eine der ältesten Kommunikationsmethoden, die wir kennen.
Seraina Winkler
SMGV: der Schweizerische Modegewerbeverband SMGV/USMM ist Wahrer und Hüter von Slowfashion, lange bevor es diesen Begriff gab – erstellen doch die Damen- und Herrenschneider, heute Bekleidungsgestalter genannt, des Couturegewerbes seit Jahrhunderten massgefertigte Einzelstücke für Kundinnen und Kunden. Seine Mitglieder, Alleinmeisterinnen oder Kleinunternehmerinnen mit mehreren Angestellten, erfüllen alle Kundenwünsche. Die Modelle entstehen in enger Zusammenarbeit mit der Kundschaft, zudem werden hochwertige Materialien und Zutaten verarbeitet. Der Arbeitgeberverband ist ausserdem für die Durchführung der Berufsprüfung sowie der Höheren Fachprüfung, ehemals Meisterprüfung, zuständig und sichert somit die Qualität der Handwerkskunst in der verbandseigenen Modeschule mit diversen Lehrgängen. Ein Couturemodell muss nicht unerschwinglich sein, und es garantiert Langlebigkeit. Echt Slowfashion eben!