Spenden für einen guten Zweck oder doch nicht? Das Geschäft der betrügerischen Spendensammler
Spendensammlungen begegnen uns fast überall, oft bewusst, aber auch unbewusst: in Einkaufszentren, online, per Post, an der Haustür und sogar bei McDonald’s. Doch wenn wir an Spendensammlungen denken, fallen vielen Menschen zuerst die Spendensammler ein, die sich an beliebten Orten wie Bahnhöfen aufhalten. Da Bahnhöfe vor allem zu Stosszeiten sehr belebte Orte mit vielen Menschen sind, erhoffen sich Spendensammler, mit ihren Spendenaktionen viele Menschen zu erreichen und so auf ihre Spendenaktion aufmerksam zu machen.
Was aber, wenn uns dieses gewohnte Bild des Spendensammelns in die Irre führt? Betrügerische Spendensammler haben die Vorgehensweise und die Logos der NGOs für ihre Machenschaften kopiert und locken so ihre Opfer in die Falle. In einem Interview mit dem Geschäftsführer von Handicap International, Herrn Suda-Lang, hat das kf mehr über die Machenschaften der betrügerischen Spendensammler erfahren.
Herr Suda-Lang, können Sie uns einen Überblick über die betrügerischen Sammlungen geben, die Handicap International in der Schweiz festgestellt hat?
Wir haben jedes Jahr sehr viele Probleme mit betrügerischen Sammlungen. 2021 haben wir zum Beispiel 126 Strafanzeigen eingereicht. Wer beim Sammeln im Namen einer NGO erwischt wird, muss mit einer Busse oder im schlimmsten Fall mit einer Gefängnisstrafe rechnen. Wie viele falsche Spendensammler im Umlauf sind, lässt sich allerdings nur schwer abschätzen, denn nur wenn sie von der Polizei erwischt werden, kann Anzeige erstattet werden.
Seit wann sind Ihnen diese betrügerischen Aktivitäten bekannt?
Wir kämpfen bereits seit über zehn Jahren mit diesem Problem.
Gibt es bestimmte Orte oder Situationen, in denen diese Aktivitäten häufig auftreten?
Im Jahr 2023 konnten wir in der Deutschschweiz eine signifikante Zunahme von Betrugsdelikten beobachten.
Welche Auswirkungen haben betrügerische Sammlungen auf die Arbeit und das Ansehen von Handicap International?
Die Vermischung stellt das grösste Problem dar. Die Öffentlichkeit kennt uns vor allem durch die betrügerischen Sammlungen und stellt sich die Frage, ob es uns wirklich gibt oder ob es sich um eine Erfindung handelt. Die Vermischung führt zu einem Reputationsschaden und einer Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit unserer Organisaton. Ein weiterer Aspekt ist die finanzielle Seite. Diese Personen erhalten in unserem Namen von Passanten mehrere hundert bis tausend Franken, welche unserer Organisation verloren gehen.
Welche Merkmale kennzeichnen betrügerische Sammlungen im Vergleich zu legitimen Sammlungen?
Die Täter geben sich häufig als taubstumm aus und verlangen unmittelbar die Herausgabe von Bargeld. Des Weiteren offerieren sie den Betroffenen, gemeinsam mit ihnen zu einer nahegelegenen Bank zu gehen, um dort Geld abzuheben. Ein solches Vorgehen wäre mit unseren Grundsätzen nicht vereinbar. Wir kommunizieren mit den Menschen und erklären ihnen, wer wir sind und was wir tun. Unser Ziel ist es, die Menschen zu einer Mitgliedschaft als Spender zu gewinnen. Sobald eine Person ihre Einwilligung erteilt hat, eine Spende zu tätigen, erfolgt die Spende entweder über einen Dauerauftrag bei ihrer Bank oder über ein Spendenformular auf unserer Website. Unsere Mitarbeiter sind stets mit einem iPad ausgestattet, um den Passanten die vielfältigen Auswirkungen ihrer Spende demonstrieren zu können. Zudem tragen sie stets offizielle Kleidung mit unserem Logo.
Und wie können potentielle Spender sich aktiv daran beteiligen, betrügerische Sammlungen zu erkennen und zu vermeiden?
Auf unserer Website ist angegeben, wann und wo unsere Sammelaktionen stattfinden. Es ist wichtig zu betonen, dass wir drei Arten von Sammlungen durchführen:
– Face-to-Face: bei dieser Aktion sammeln wir an Bahnhöfen oder auch in Einkaufszentren.
– Door-to-Door: Das ist eine der kompliziertesten Sammelaktionen. Man kommt den Menschen sehr nahe, weil man in ihre Privatsphäre eindringt. Gerade hier ist es kritisch, wenn die Leute nicht wissen, ob es sich um uns oder um Betrüger handelt.
– Telefonmarketing: Auch hier ist es immer schwierig zu unterscheiden, was ein offizieller Anruf ist und was nicht.
Wer sich nicht sicher ist, sollte auf jeden Fall mit uns Kontakt aufnehmen. Oder, wie schon erwähnt, ein Blick auf unsere Website, dort haben wir auch Hinweise, wie man eine betrügerische Sammlung von einer offiziellen unterscheiden kann.
Sind Sie Zewo-zertifiziert?
Wir waren bis 2016 ZEWO-zertifiziert. Danach haben wir aus organisatorischen Gründen das Label unseres Dachverbandes IDEAS übernommen, dass aber die gleichen Bereiche abdeckt wie die ZEWO-Zertifizierung.
Gibt es Zusammenarbeit und Unterstützung von Behörden oder anderen Organisationen, um gegen betrügerische Sammlungen vorzugehen?
Wir arbeiten eng mit den Kantonspolizeien/Justizbehörden zusammen. Wir erstatten bei jedem gemeldeten Verstoss Anzeige, um dieses immer wiederkehrende Problem zu bewältigen.
Wissen Sie, wie sich andere Organisationen vor betrügerischen Sammlungen schützen? Leider nicht. Ich weiss auch nicht, ob es andere Organisationen gibt, die Opfer solcher Betrügereien geworden sind. Ich kann es mir aber gut vorstellen, da die gefälschten Spendenformulare oft auch andere Logos zieren. Spannend war, dass die betrügerischen Sammler bis letztes Jahr noch unser altes Logo verwendet haben, obwohl wir seit 2018 ein neues haben.
Welche Perspektiven und Herausforderungen gibt es für die Zukunft?
Durch die Sensibilisierung hoffen wir, dass die Menschen den Betrug schon von weitem erkennen. Was ich mir auch vorstellen kann, ist, dass es immer mehr Situationen auf der Welt gibt, wo es so dramatisch ist, dass man helfen muss. Dadurch verlieren die Spender den Durchblick, weil die Konkurrenz in der Schweiz mit den ganzen Organisationen sehr gross ist. Alle machen super Arbeit und alle brauchen Geld, und ich glaube, dass es für die Spender schwierig ist, den Überblick zu behalten und Prioritäten zu setzen. Und dazu kommt noch, dass die Spender immer abwägen müssen, ob es sich um eine seriöse Spendenaktion handelt oder um Betrug. Dazu kommt die digitale Entwicklung, im Moment gibt es nur die analoge Betrugsmethode, die anscheinend auch funktioniert. Ich könnte mir vorstellen, dass in Zukunft der Internetbetrug mehr Raum einnehmen wird. Dass jemand unser Emailing klaut und dann Mails mit unserem Logo an irgendwelche Logos verschickt und eine falsche Spendenadresse hinterlegt. Dass wir eine Herausforderung haben, unsere digitale Reputation aufrechtzuerhalten, dass die Leute uns glauben, wenn wir eine Mail verschicken. Aber wir versuchen, uns mit unserer IT so gut wie möglich zu schützen. Wir machen auch verschiedene Schulungen und Tests, um immer auf dem neuesten Stand zu sein.
Konsumentenforum Ruth Dickenscheid in Zusammenarbeit
mit Handicap International