Mille Grille! Speise-Insekten landen auf dem Teller
In den vergangenen Wochen war das Thema der Speiseinsekten in aller Munde. Thematisiert wurde im Blätterwald die Zulassungen weiterer neuartiger Lebensmittel (auch Novel Food genannt) in der EU. Folgend wird die rechtliche Situation in der EU und der Schweiz erläutert, die Marktlage aufgezeigt und inwiefern Speiseinsekten künftig für die Wahrung unserer Ernährungssouveränität und unseres Ernährungssystems wichtig werden.
Speiseinsekten sind seit gut sieben Jahren ein Thema in der Diskussion von Politik und Behörden. Mittels dem Novelfood Zulassungsverfahren (geregelt in der Novel-Food-Verordnung (EU) 2015/2283) konnte hier Rechtssicherheit geschaffen werden. Am 24. Januar 2023 trat die Durchführungsverordnung 2023/5 für teilweise entfette Hausgrille (Acheta domesticus) in Kraft. Somit sind mittlerweile vier verschiedene Insektenarten in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union zugelassen. Namentlich die Locusta migratoria (Europäische Wanderheuschrecke), der Tenebrio molitor (Mehlwurm), der Alphitobius diapernius (Buffalowurm) und wie erwähnt die Acheta domesticus. Somit dürfen diese Insekten als Ganzes, als auch in verarbeiteter Form in Lebensmittel verwendet werden und an Kunden zum Genuss abgegeben werden.
Alle Insekten, welche in der Europäischen Union und in der Schweiz auf den Markt gebracht werden, müssen den strengen rechtlichen Anforderungen gerecht werden. So dürfen sie ausschliesslich in kontrollierten Zuchten gezüchtet und mit zugelassenen Futtermitteln gefüttert werden. In der Verarbeitung sind strenge mikrobiologische Grenzwerte einzuhalten, damit sie überhaupt auf den Markt gebracht werden können. BioSuisse hat als erste Zertifizierungsstelle entsprechende Standards konzipiert und somit ermöglicht, dass in der Schweiz die weltweit ersten biozertifizierten Insekten verkauft werden konnten. Durch die Schweizer Lebensmittelgesetzesänderung im Rahmen des Projektes «Largo» wurde 2017 eine Harmonisierung zu den EU-Lebensmittelgesetzen vollzogen. Folglich sind die in der EU via Novel Food Gesetz zugelassenen Lebensmittel auch in der Schweiz ohne zusätzliche Bewilligung verkehrsfähig, sofern sie die Bestimmungen der entsprechenden Durchführungsverordnung einhalten.
Wieso sind Speiseinsekten für unsere Ernährung wichtig und für unser Ernährungssystem sehr sinnvoll? Dafür sprechen drei gute Gründe: Einerseits sind Insekten sehr gesund, denn sie sind nicht nur reich an hochwertigen Proteinen mit sämtlichen essenziellen Aminosäuren und können gut entsprechend vom menschlichen Körper aufgenommen werden, sondern enthalten auch wertvolle ungesättigte Fettesäuren (wie Omega 3 und 6), welche beispielsweise auch in Fisch oder in Avocados vorkommen. Zusätzlich sind unentbehrliche Mikronährstoffe enthalten wie Eisen, Kalzium, Magnesium oder Zink und verschiedene A und B Vitamine (inkl. Vitamin B12). In der tiergerechten Zucht der Insekten wird komplett auf Antibiotika und Hormone verzichtet, somit 100% Natur pur.
Andererseits sind Insekten in ihrer Zucht sehr ressourceneffizient und dadurch äusserst umweltschonend. So benötigen sie, im Vergleich zur konventionellen Nutztierhaltung wie Rinder, zehnmal weniger Futtermittel, hundertmal weniger Wasser und stossen bis zu tausendmal weniger CO2 aus. Insekten werden in «Vertical farming» Systemen gezüchtet und sind somit sehr platzsparend.
Letztlich sind Insekten auch für die lokale Kreislaufwirtschaft prädestiniert. Die Insekten werden in der Schweiz kosteneffizient gezüchtet und nutzen hier anfallende Seitenströme der Lebensmittelproduktion. So werden Weizenkleie (Abfall aus der einheimischen Mehlproduktion) oder Melasse (Abfall aus der hiesigen Zuckerproduktion) dafür verwendet. Somit ist es möglich in der Schweiz hochwertige Lebensmittel für den lokalen Konsum zu produzieren und unsere Abfälle «upzucyclen». Neben den Insekten entsteht in der Zucht noch ein hochwertiges Düngemittel, dass in der Landwirtschaft zweckmässig eingesetzt werden kann.
In der Schweiz bietet Essento seit dem Jahr 2017 erfolgreich ein breites Produktesortiment mit Speiseinsekten an, welches von Riegeln und Snacks bis hin zu dem ersten klimaneutralem Burger und Balls reicht. Die dafür verarbeiteten Insekten stammen aus der Insektenzucht Ensectable in Endingen (Aargau), die weltweit erste biozertifizierten Insektenfarm. Die Produkte werden schweizweit in grösseren Coop Filialen verkauft und sind auch online erhältlich. Die Nachfrage nach lokal und nachhaltig hergestellten Produkten hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Zudem zeigen Studien, dass über 58% der Befragten überzeugt sind, dass Insekten in Zukunft auf unseren Speiseplan gehören. Zur Förderung ist der Schweizer Verband SwissInsects aktiv, der regelmässig Workshops und Informationsveranstaltungen zum Thema organisiert und Schulklassen besucht.
Die Schweiz hat mit der Zulassung, zu welcher das Konsumentenforum im Rahmen der Vernehmlassung tatkräftig beigetragen hat, im August 2017 bewiesen, als Pionier für nachhaltige Ernährung unterwegs zu sein. Nun geht es darum, in Zusammenarbeit mit der Politik die Voraussetzung des Marktumfeldes weiter zu verbessern, damit der Sektor der Bevölkerung ermöglichen kann, sich lokal, nachhaltig und gesund zu ernähren.