21.01.2021, von Schweizerisches Konsumentenforum

Verpackungen sind unsere stillen Helfer

Welche Verpackung hatten Sie heute schon in der Hand? Zumindest die Zahnpasta-Tube, denke ich. Vermutlich aber noch einige mehr. Denn in unserem Alltag sind Verpackungen die stillen Helferlein, die unser Leben erleichtern. Sie erleichtern den Transport von Waren, schützen das Füllgut und bieten uns wichtige Informationen über den Inhalt. Verpackungsmaterialien sind vielfältig, an sie werden hohe Anforderungen gestellt und zu Unrecht stehen sie häufig wegen ihrer vermeintlichen Umweltbelastung in der Kritik. Dabei tragen sie sogar zum Umweltschutz bei, indem sie beispielsweise Lebensmittel vor dem Verderb schützen und Packungsgrössen bieten, die auf den individuellen Verbrauch zugeschnitten sind. Ohne Verpackungen wäre unsere Versorgung unmöglich.

Damit Verpackungen weiterhin ihren Auftrag ausfüllen können, tüfteln unsere Verpackungsunternehmen fortlaufend an neuen Verpackungslösungen oder optimieren bestehende. Für Laien sind diese Innovationen manchmal gar nicht ohne weiteres erkennbar – oder ist Ihnen beispielsweise schon aufgefallen, dass die Folie für die EMMI Energy Milk (siehe Foto unten) inzwischen nicht einmal mehr halb so dick ist wie früher? Die Firma NYCO Flexible Packaging aus Kirchberg stellt die Folien für Emmi Schweiz her und hat damit in diesem Jahr den Swiss Packging Award in der Kategorie Nachhaltigkeit gewonnen.

 

Eine dünnere Folie – und was ist daran besonders nachhaltig?

Auf den ersten Blick leuchtet einem der Sieg der Folie vielleicht gar nicht so richtig ein. Wo ist da die besondere Leistung? Tatsächlich liegen hier die Errungenschaften im Detail. Die Dicke wurde von 45my auf 20my reduziert, d.h. es werden deutlich weniger fossile Rohstoffe benötigt, der CO2-Abdruck wird kleiner – sowohl in der Herstellung als auch in der Entsorgung – und man hat die Möglichkeit, fast doppelt so viele Laufmeter Folie auf einer Rolle zu transportieren, was den Transportaufwand reduziert. Dazu kommt, dass die Folie auf allen bestehenden Anlagen genutzt werden kann, was keine Selbstverständlichkeit ist, denn die Folie darf sich in der Verarbeitung nicht verziehen oder sogar reissen. Und auch das Druckbild muss qualitativ allen Ansprüchen gerecht werden. Zugegeben: Ohne Vorkenntnisse kann man diese Beurteilung nicht vornehmen. Deshalb arbeiten in der Jury des Swiss Packaging Award 16 ausgewiesene Experten aus der Verpackungswirtschaft, von Hochschulen, der Fachpresse und Verbänden mit. Zwei Tage dauert der Jurierungsprozess, in dem die Verpackungen begutachtet, ausprobiert, diskutiert und im wahrsten Sinne des Wortes begriffen werden.

 

Convenience erleichtert unser Leben

Unsere Gesellschaft wird immer älter. Prognosen zufolge werden bis im Jahr 2050 knapp 40% der Bevölkerung in der Schweiz 60 Jahre oder älter sein. Verpackungen können älteren Menschen dabei helfen im Alltag selbständig zu bleiben, indem die Benutzerfreundlichkeit erhöht wird. Beispielsweise lässt die Kraft in den Händen nach, weshalb Schraubverschlüsse eine bestimmte Grösse haben und leicht zu öffnen sein sollten. Wichtig sind auch die Wiederverschliessbarkeit sowie eine gute Lesbarkeit, denn Verpackungen sind wichtige Informationsträger für die Konsumenten. Wann und wo wurde das Produkt hergestellt, wie lange ist es haltbar, welche Inhaltsstoffe hat es – sind eventuell allergene Zutaten enthalten, die ich nicht vertrage?

Verpackungen helfen beispielsweise im Pharmabereich bei der richtigen Dosierung und sicheren Anwendung, wie ein weiterer Gewinner des Swiss Packaging Award in der Kategorie Convenience zeigt: Der Easy to open-Verschluss des Voltaren Schmerzgels (siehe Foto unten), den die Firma Hoffmann Neopac AG aus dem Emmental gemeinsam mit der Kutterer Mauer AG und GSK entwickelt hat. „In diesem Fall wurde Convenience direkt vom Produktverwender her gedacht“, schrieb die Jury dazu in ihrem Kommentar. Die Verwender sind in ihrer Beweglichkeit oft beeinträchtigte Osteoarthritis-Patienten. Ohne Fingereinsatz können sie die Tube sicher öffnen und ebenso sicher wieder verschliessen. Auch die Applikation der Creme wird deutlich vereinfacht: Bei Druck auf die Tube tritt die Creme auf einer grosszügig dimensionierten Auftragsfläche aus und lässt sich so ohne Fingereinsatz einfach und zielgenau auftragen.

 

Auch im Lebensmittelbereich kennen wir viele Beispiele, in denen Verpackungen die Convenience verbessern und unser modernes Leben unterstützen. Mahlzeiten, die wir unterwegs einnehmen können sowie Kleinpackungen für Single-Haushalte schützen vor Foodwaste. Auch wenn manche in den teilweise aufwendigen Behältern puren Verpackungswahnsinn sehen, tragen sie doch zum Umweltschutz bei. Denn was viele nicht wissen: Gerade bei Lebensmitteln macht die Verpackung nur 1 bis 3% der Umweltbelastung aus. Der überwiegende Teil wird durch Anbau, Transport und Herstellung verursacht. Damit liegt auf der Hand, dass nicht die Verpackung das Problem ist, sondern der Inhalt. Je wertvoller der Inhalt, desto besser muss die Verpackung sein.

Verpackungen dürfen, nein sie müssen sogar schön sein!

Wussten Sie, dass rund 80% der Produkte, die in den Supermarktregalen stehen, sich einzig und allein durch ihre Verpackung gegen die Konkurrenz durchsetzen müssen? Für sie werden keine weiteren Werbemassnahmen getroffen. Folglich müssen Verpackungen ansprechend und schön gestaltet sein. Ein tolles Design und eine hohe Marketingwirkung des Produkts sollen die Kundschaft zum Kauf bewegen. In der Kategorie Design wurde in diesem Jahr die Weinverpackung „Passion & Zeit“ (siehe Foto unten) der SCHELLING AG prämiert, die sie für die Andreas Meier & Co. Rebschulen hergestellt hat. Neben dem Aussehen spielt hier auch die haptische Gestaltung der Verpackung mit hinein. Wie fühlt sich das Material an? Die edle Verpackung ist ein Erlebnis für alle Sinne und unterstreicht den wertvollen Inhalt.

 

In der Kategorie Marketing war der Dispenser für Knoppers Nussriegel (siehe Foto unten) der SWISS PAC AG erfolgreich. Er wird bei Firmenkunden im Pausenraum platziert, wo Mitarbeitende nachmittags um halb 4 einen Snack zu ihrem Kaffee suchen und so mit dem neuen Nussriegel in Kontakt kommen und eine erfolgreiche Markteinführung gefördert wird. Die Riegel lassen sich wie aus einem Automaten ziehen. Eine runde Sache, fand die Jury.

 

Technische Raffinessen für Multifunktionalität

Diese Verpackung mögen einige von Ihnen kennen: Die Interdentalbürsten von Curaprox zur Reinigung der Zahnzwischenräume verwenden manche privat, andere kennen sie von ihrem Besuch beim Zahnarzt oder Dentalhygieniker. Klein aber fein ist die in der Kategorie Technik ausgezeichnete Nachfüll-Verpackung (siehe Foto unten), die die Bachmann Forming AG für die Curaden AG entwickelt hat. Sie erfüllt alle wichtigen Funktionen einer Verpackung wie Schutz und Logistik, erlaubt darüber hinaus eine sortenreine Entsorgung und Rezyklierbarkeit (weil sich die Kunststoff- und Kartonelemente leicht voneinander trennen lassen) und ist wiederverschliessbar, wodurch das Produkt sehr gut vor Schmutz oder Beschädigung geschützt ist.

 

Eine wichtige Basis für alle weiteren Funktionen liefert die Konstruktion einer Verpackung. Sie bestimmt die Benutzerfreundlichkeit und ermöglicht die leichte Entsorgung nach dem Verbrauch. Die SCHELLING AG wurde für die Verpackung MaClair (siehe Foto unten) ausgezeichnet, die sie für Läderach Schweiz herstellt. Durch ein raffiniert konstruiertes Stegsystem wird der Plastiktray ersetzt, mit dem normalerweise die Macarons mit Schokoladenboden aus der Verpackung gezogen werden. Beim Produzenten werden Produktion und Lagerhaltung optimiert, der Kunde kann die Macarons einfach entnehmen und die Verpackung anschliessend im Altpapier entsorgen.

 

Verpackungen bieten Erlebnisse und sind manchmal emotional beladen

In Basel gibt es den so genannten Lällekönig. Das ist ein überlebensgrosser Kopf aus bemaltem Kupferblech mit einer Krone, dessen Original am Basler Rheintor bei der Mittleren Brücke angebracht war und Ankömmlingen die Zunge herausstreckte. Ein Mechanismus liess ihn viermal pro Minute die Augen rollen und die Zunge blecken, was ihm seinen Namen gab: «Lälli» ist ein baseldeutsches Wort für Zunge. Mit der Zeit wurde der Lällekönig so etwas wie ein Wahrzeichen der Stadt. Die älteste Biscuit-Manufaktur der Schweiz, Jakob’s Basler Leckerly (seit 1753), hat nun dieses Thema aufgegriffen und zusammen mit der Andreas Kopp AG eine Weissblechdose für ihre Läckerli entwickelt, bei der ein integrierter Ziehmechanismus den Lällekönig auf dem Deckel mit den Augen rollen und die Zunge herausstrecken lässt (siehe Foto unten). Die Verbraucher haben die Lällekönig-Dose zur beliebtesten Verpackung der Schweiz erkoren. Sicherlich wird sie, auch wenn die Läckerli bereits aufgegessen sind, noch lange im Regal stehen und den Besitzer immer wieder erfreuen, wenn der Lällekönig die Augen verdreht und die Zunge herausstreckt.

 

 

Verpackungen einmal Aufmerksamkeit schenken

Achten Sie zu Hause oder beim Einkaufen einmal auf die Verpackungen der Waren, die Sie konsumieren und nehmen Sie sich einmal Zeit für die Details. Verpackungen sind nicht simpel, sondern kluge Köpfe haben sich etwas dabei gedacht. Sie haben ein wenig mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung verdient.

Susanne Köhler 
Schweizerisches Verpackungsinstitut SVI