Die Qual der Wahl: das Syndrom des Überflusses.
„Benjamin, ich hab‘ nix anzuziehn!“ Die frustrierte Feststellung meiner konsternierten Omama erstickt in den Wänden ihres überfüllten Kleiderschranks, während mein Opapa ein Brummen von sich gibt und auf sein mit drei Unterhosen und zwei Hemden gepacktes Köfferchen schielt. Und so wiederholt sich die Geschichte begleitet vom epischen Ruf der Verzweiflung in der nächsten Generation, als meine Mutter am Abend vor der Abreise in die zweiwöchigen Sommerferien den auf dem Bett aufgetürmten Stapel an Blusen und Tuniken mustert und sich einfach nicht entscheiden kann, was sie für die nächsten vierzehn Tage einpacken soll, während mein Vater schon längst unter der Decke schnarcht.
Ihr erahnt schon wie die Geschichte weiter geht… wenn ich verreise, packe ich in der Regel knapp vier Stunden vor Ferienstart, weil ich bis zum letzten Moment nicht in der Lage bin, eine Kleiderauswahl zu treffen (das Dilemma der Schuhe und Taschen kommt noch dazu!).
Über die Jahre wurde mir bewusst, dass das „Benjamin-Syndrom” weder ein Familienerbe noch reine Frauensache ist, sondern ein sehr allgemeines und typisches Konsumverhalten widerspiegelt, wenn wir mit einem Überfluss an Waren konfrontiert werden. Eine allzu grosse Vielfalt an Produkten erschwert die Auswahl und verleitet uns dazu, mehr als wirklich nötig zu konsumieren. Braucht es im Ladensortiment wirklich vier verschiedene Anti-Schuppen Shampoos oder sechs Sorten Toilettenpapier? Keine Sorge, liebe Leserinnen und Leser, ich predige keinen Minimalismus und will euch jetzt nicht dazu ermuntern, die Schränke zu leeren und eures Lieblingsduschgel durch eine Naturseife zu ersetzen. Aber falls ihr, wie ich, beim nächsten Einkauf oder Packen vor der Qual der Wahl hyperventiliert, fragt euch doch kurz, ob ihr wirklich vier Paar Schuhe für ein verlängertes Wochenende oder drei verschiedene Badezimmer-Reiniger braucht. Es ist immer alles eine Frage des Masses.