Innovationszugang für Patienten
In der derzeitigen Corona-Pandemie werden enorme Hoffnungen und Erwartungen an die pharmazeutische Forschung und Entwicklung gestellt. Diese arbeitet mit Hochdruck an Impfungen und Therapiemöglichkeiten – auch in der Schweiz. Das Wohl der Patientinnen und Patienten hat für die forschende Pharmaindustrie oberste Priorität. Insbesondere zeigt diese Krise exemplarisch auf, wie wichtig die Innovationskraft der Pharmaunternehmen ist: Die bio-pharmazeutische Forschung und Entwicklung hat in den letzten Jahren mit neuartigen Therapieansätzen bahnbrechende Fortschritte ermöglicht. So positiv diese Entwicklung für Patientinnen und Patienten ist, bringt sie auch neue Herausforderungen für die Vergütung durch die obligatorische Krankenversicherung. Unsere Ambition ist, dass innovative Arzneimittel Patientinnen und Patienten in der Schweiz rasch zur Verfügung stehen.
Gerade bei dem begehrten Impfstoff und den erwarteten Medikamenten gegen Covid-19 ist es wichtig, dass Patientinnen und Patienten rasch davon profitieren können. Aber auch sonst muss das Gesundheitswesen mit der schnellen technologischen Entwicklung Schritt halten. Die Entwicklungen im Bereich der Gentherapien, der Onkologie oder der personalisierten Medizin schreiten voran, sodass Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige auf weitere Durchbrüche hoffen dürfen. Jedoch müssen sie oft lange auf die Vergütung neuer Therapien warten. Die durch das Heilmittelinstitut Swissmedic zugelassenen Medikamente müssen vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) in die sogenannte Spezialitätenliste (SL) aufgenommen werden, damit sie von der obligatorischen Krankenversicherung vergütet werden. Geschieht dies nicht oder verzögert, ist der Zugang der Therapien für Schweizer Patientinnen und Patienten nicht sichergestellt.
Standardprozesse geraten an ihre Grenzen
Im Gegensatz zu herkömmlichen Medikamenten werden die heutigen modernen Therapien oft in Kombination mit anderen Arzneimitteln angewandt, entfalten ihre Wirkung bereits bei einer einmaligen Anwendung oder wirken zielgerichtet nur in bestimmten Patientengruppen. Das an sich bewährte Standardsystem der Medikamentenvergütung kann diesen Entwicklungen nicht mehr gerecht werden. Dies führt zu einer zunehmenden Verzögerung in der Beurteilung neu zugelassener Therapien und somit im Patientenzugang. Statistiken von Interpharma zeigen, dass 2019 nur elf von 46 gelisteten Produkten innert 60 Tagen aufge-nommen wurden, wie es die Verordnung (KLV) vorschreibt. Per Ende 2019 haben zudem insgesamt 136 Anträge nicht zu einem Entscheid bezüglich SL-Aufnahme geführt.
Interpharma setzt sich seit Jahren für einen raschen und gleichberechtigten Patientenzugang ein. Wollen wir auch in Zukunft Patientinnen und Patienten den raschen Zugang zu medizinisch notwendigen Behandlungen ermöglichen, müssen dem BAG für den Vergütungsprozess moderne Werkzeuge und Expertise für die Nutzenbewertung zur Seite gestellt werden.
Preismodelle könnten Patientenzugang verbessern
Um Kosten im Gesundheitswesen einzudämmen, hat der Bundesrat 2018 ein Programm zur Kostendämpfung beschlossen. Das erste Massnahmenpaket wird derzeit im Parlament beraten, die Vernehmlassung des zweiten Pakets (KP2) endete am 19. November. Das KP2 beinhaltet unter anderem Preismodelle, die den Innovationszugang für Patientinnen und Patienten verbessern könnten.
Da Preismodelle mit Rabatten und Rückzahlungen verbunden sind, bedeuten sie für Herstellerfirmen aber einschneidende Konzessionen. Die Pharmabranche ist bereit, diese einschneidende Massnahme bei der Medikamentenpreisbildung mitzutragen unter der Voraussetzung, dass Patientinnen und Patienten ab dem Tag der Marktzulassung Zugang zu medizinischen Durchbrüchen erhalten, statt wie heute teilweise Monate oder gar Jahre auf den Vergütungsentscheid warten zu müssen.
Breite Nutzendefinition von innovativen Medikamenten notwendig
Neben Preismodellen und weiteren Massnahmen zur Kosteneinsparung im Gesundheitswesen sieht der Bundesrat im KP2 auch eine weitreichende Delegationsnorm (Art. 32 KVG) vor, um die Instrumente zur Senkung der Arzneimittelpreise der Originalhersteller zu ändern. Damit würde die schon bestehende Rechtsunsicherheit bei der Festlegung der Medikamentenpreise noch weiter verschärft. Statt Kostengünstigkeit anzustreben, wie es der Bundesrat vorsieht, soll der Nutzen einer medizinischen Leistung – dieser beinhaltet neben dem medizinischen Nutzen auch den Nutzen für Patientinnen und Patienten sowie die Gesellschaft als Ganzes – bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit angemessen berücksichtigt werden. Lassen sich mit einer Leistung beispielsweise erhebliche Einsparungen erzielen (etwa durch Vermeidung von Krankheitsfolgekosten durch Arbeitsausfälle oder Sozialversicherungskosten), soll dieser Nutzen bei der Wirtschaftlichkeitsbeurteilung auch berücksichtigt werden.
Für ein nachhaltig finanziertes und qualitativ hochstehendes Gesundheitswesen
Interpharma setzt sich für ein qualitativ hochstehendes Gesundheitswesen ein. Alle Versicherten sollen künftig Zugang zu den für sie am besten geeigneten Medikamenten ab Tag der Swissmedic-Zulassung haben. Ebenso setzt sich Interpharma für ein nachhaltig finanziertes Gesundheitswesen ein. Die Pharmabranche hat mit den gesetzlich festgeschriebenen dreijährlichen Preissenkungsrunden seit 2012 jährlich wiederkehrende Einsparungen von einer Milliarde Franken im Medikamentenbereich ermöglicht. Die forschenden pharmazeutischen Firmen stehen zu diesen regelmässigen Preisüberprüfungen und leisten damit einen gewichtigen Beitrag zur Senkung der Gesundheitskosten. Medikamente machen seit Jahren unverändert rund 12 Prozent der Gesundheitskosten aus. Die Beiträge der Pharmabranche zur Kostendämpfung sind damit überproportional im Vergleich zu ihrem Anteil an den Gesundheitskosten. Weitere einseitig auf Medikamente abgezielte Kostendämpfungsmassnahmen sind daher nicht angezeigt.
René Buholzer
CEO Interpharma