
Galaxus/ Digitec verärgerten Kunden mit nachträglichen Preiserhöhungen. Geht das?
Ein Kunde hat einen Beamer bei Digitec für CHF 303.- bestellt. Er habe die Preisverlaufstabelle im voraus überprüft: das Produkt wurde bereits zweimal auf 300.- gesenkt. Auch bei anderen Onlinehändlern wie Amazon fand er das Produkt für € 400.-. Aus diesem Grund erschien ihm der Preis nicht ungewöhnlich, sondern vielmehr als ein reguläres Angebot im Sale. Eineinhalb Monate später erhielt er jedoch ein E-Mail von Digitec: der angegebene Preis sei ein Fehler gewesen, der korrekte Verkaufspreis betrage 900.-. Da der Kunde den Beamer bereits installiert hat, fordert Digitec nun die Nachzahlung der Preisdifferenz von 597.-.
Es ist nicht das erste Mal, das der Onlinehändler Galaxus/ Digitec im Kreuzfeuer steht. Bereits in den vergangenen Jahren wurden ähnliche Probleme mit dem Onlinehändler gemeldet. Geändert hat sich in der Zwischenzeit aber nichts. Galaxus/ Digitec versteckt sich hinter seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und streitet ein Fehlverhalten seinerseits ab.
Nach dem berüchtigten Saleday Black Friday häuften sich die Anfragen von Konsumentinnen und Konsumenten bei der Rechtsabteilung des kf. Bei allen ging es um eine nachträgliche Rechnung, welche sie vom Händler erhielten. Dort hiess es: „Aufgrund eines Systemfehlers wurde das Produkt zu einem falschen Preis ausgeschrieben.“ Die Käufer können das Produkt entweder zurücksenden und erhalten eine Rückerstattung des bezahlten Preises oder sie bezahlten den Aufpreis und können das Produkt behalten. Wurde das Produkt in der Zwischenzeit ausgepackt und verwendet, so ist nur noch letztere Option möglich.
Verständlich, dass die Käufer empört sind und sich weigern, den Aufpreis zu bezahlen. Immerhin haben einige Kunden die Produkte am Black Friday im Sale mit einer Preisreduktion von 40-80% ergattert und sich über das Schnäppchen gefreut. Andere erhielten die Benachrichtigung erst nach Tagen oder sogar Wochen. In der Zwischenzeit wurde das Produkt bereits ausgepackt und verwendet oder weiterverschenkt. Die Frage ist also berechtigt: „Darf der Grosshändler einfach so eine weitere Rechnung schicken und mehr Geld verlangen, weil ihm ein Systemfehler unterlaufen ist?“
Grundsätzlich ist die nachträgliche Preiserhöhung im schweizerischen Obligationenrecht geregelt. Diese spricht dem Verkäufer das Recht zu, den Vertrag als ungültig zu erklären, wenn ein gravierender Preisfehler vorliegt, welcher für den Käufer offensichtlich war. Man spricht hier auch von einem grundlegenden Irrtum. Als Paradebeispiel wird der Verkauf eines Juwelierringes genannt, welcher mit einem Preisschild und der Preisangabe von 1300 CHF ausgestellt wurde. Ein Kunde wollte diesen Ring kaufen, als er darauf hingewiesen wurde, dass der Mitarbeiterin ein Fehler unterlaufen ist und eine 0 beim Preisschild fehlt. Verkaufspreis war somit 13‘000.-. Das Bundesgericht entschied diesen Fall und sprach sich für einen wesentlichen Irrtum aus, weshalb der Preis zu berücksichtigen ist, welcher der Verkäufer tatsächlich gemeint hat. Es gilt somit der Preis von 13‘000.-.
Vergleicht man jedoch die AGB des Grosshändlers Galaxus/ Digitec, so findet man zwar eine ähnliche Klausel wie im Obligationenrecht, jedoch ist diese weitreichender als im Obligationenrecht. Die AGB-Klausel ermöglicht es dem Grosshändler, einen Vertrag als ungültig zu erklären, wenn ein Preisfehler vorliegt. Dabei muss es sich, anders als im Obligationenrecht, nicht um einen wesentlichen Preisfehler handeln. Der Grosshändler nimmt sich somit das Recht, in jeder Fallkonstellation einen Preisfehler geltend zu machen und nachträglich eine Rechnung mit der Preisdifferenz einzufordern. Die Klausel ist nicht nur kundenunfreundlich, sondern bewegt sich auch rechtlich in einer Grauzone. Der Wortlaut der Klausel ermöglicht die Geltendmachung auch Jahre nach der Bestellung. Würde es jemals zu einem Gerichtsprozess kommen, so könnte es sein, dass das Gericht die Klausel als unüblich und deshalb als ungültig erklärt.
Galaxus/ Digitec verweisen auf Rückfrage stets auf die AGB, welche vom Kunden bei der Bestellung akzeptiert werden. Diese wurden ebenfalls von einem Team von Anwälten verfasst, weshalb sie rechtsmässig seien. Weiter hätte den Kunden auffallen sollen, dass die Artikel viel zu günstig angeboten wurden und es deshalb ein offensichtlicher Preisfehler war. Dass die Artikel während der Black-Friday Aktion gekauft wurden, wofür der Grosshändler auch gerne Werbung macht und die starken Reduktionen anpreist, blieb unkommentiert. Ebenfalls unkommentiert blieb ein interessanter Fall eines Kunden. Er bestellte eine Skibrille kurz vor Black Friday für einen Preis von 58.90 CHF. Drei Tage später dann die E-Mail; Aufgrund eines Systemfehler wurde der Preis falsch angegeben. Er müsse CHF 208.10 zusätzlich bezahlen oder das Produkt zurücksenden. Da er die Brille bereits verwendet hat, bliebt ihm nur noch die Bezahlung des Aufpreises. Offensichtlich sei der Preisfehler für ihn nicht gewesen, er habe bereits in der Vergangenheit Skiausrüstung beim selben Händler gekauft. Die Preise lagen 60-80% unter dem aktuellen Verkaufspreis, obwohl er damals nicht von einer Black-Friday Aktion profitiert hat. Nachzahlen musste er dafür nie. Nun aber möchte der Händler das Geld für die falsch angepriesene Brille. Galaxus/ Digitec versicherte uns jedoch, dass jedem Kunden, welcher von einem Preisfehler betroffen ist, die Möglichkeit einer kostenlosen Rücksendung angeboten wird. Auch dann, wenn das Produkt bereits ausgepackt und verwendet wurde. Im genannten Fall wurde dem Kunden jedoch vom Galaxus Mitarbeiter klar und deutlich mitgeteilt, dass eine Rücksendung aufgrund des gebrauchten Zustandes nicht mehr möglich ist. Es scheint, als sei sich der Grosshändler nicht ganz einig über seine eigene Praxis. Weiter hiess es: „Preisfehler sind nur Ausnahmefälle. Diese werden schnellstmöglich dem Kunden mitgeteilt. In einigen Fällen kann es einige Tage dauern.“ In einem uns bekannten Fall wurde der Kunde sechs Wochen nach dem Kauf über den Preisfehler informiert. Auch hierzu wollte sich Galaxus/ Digitec nicht weiter äussern.
Kunden können sich somit nicht mehr auf den angezeigten Preis verlassen und müssen stets mit einer nachträglichen Preiserhöhung rechnen. Unabhängig davon, ob sie den Artikel im Ausverkauf erstanden haben oder nicht. Solange die fragwürdige AGB-Klausel nicht von einem Gericht beurteilt wird, kann Galaxus/ Digitec mit diesem Vorgehen weitermachen.
Autorin Jelena Knoll, Konsumentenforum