11.06.2024, von babettesigg

Dekadenz lebt! Warum das Vernichten von neuen Kleidern unsinnig ist

Was passiert eigentlich mit Bekleidung, Schuhen und weiteren Textilien, die nicht regulär verkauft werden können und als Restposten enden? Viel zu häufig gelangen sie nicht in den Wiederverkauf in Drittweltländern, sondern werden vernichtet. Gut, dass es wenigsten für die Haushalte die Texaid-Säcke gibt, in welchen man seine überschüssigen Kleider entsorgen kann… oder etwa nicht?

Nachhaltigkeit und Qualität sind Schlagworte, die unsere «Geiz-ist-geil»-Gesellschaft nicht mehr interessieren. Gewinn und rasche Verfügbarkeit diktieren das Einkaufsverhalten der Konsumenten. Vor allem die Fast-Fashion-Branche lebt davon, Trends blitzschnell umzusetzen und die Kollektionen – bis zu vierundzwanzig pro Jahr – billig anzubieten. Überproduktion von Kleidung ist ein riesengrosses Problem; zumal die Textilbranche wegen der katastrophalen und umweltschädigenden Produktionen eine der ganz grossen Verursacherinnen des Klimawandels ist. Was in der laufenden Saison oder im Sale nicht verkauft werden kann, ist morgen Textilabfall. Diese Unmengen an unverkauften Billigkleidern lohnen das Aussortieren und Wiederverkaufen nicht. Da wird geschreddert, zerrissen und verbrannt.

Das Vernichten ist allerdings nicht auf Billigmarken beschränkt. Auch hoch- und höchstpreisige Marken vernichten Kleider, Handtaschen und Schuhe, damit diese nicht zu einem günstigeren Preis auf dem Graumarkt landen. Die Konsumenten spielen munter mit, auch wenn Secondhand, Kleidertausch und Re-Use gerade ein Revival erleben. Die Verlockung, günstig, wenn auch nicht qualitativ hochwertig einzukaufen, ist einfach zu gross. Am Kauf eines Textils, das einem nicht nur wegen des günstigen Preises Freude bereitet, ist nichts einzuwenden. Aber:

Rund 40% der in der Schweiz verkauften Kleidungsstücke werden nicht oder nur bis zu viermal getragen. Pro Jahr und pro Person landen rund 6.3 kg Altkleider in den Textilsammlungen. Analog zum Food-Waste gelangen durch dieses Verhalten deutlich mehr nahezu neue Kleider aus den Haushalten in die Textilsammlungen und im Güsel als von Unternehmen. Wir Konsumenten sind also in der Pflicht! Die Textilsammler müssen die Ware aufgrund der geringen Qualität (Fast Fashion zeichnet sich nicht durch hochwertige Materialien aus) oder Flecken zu Dämm- oder Füllstoffen und Putzlappen verarbeiten. Bekleidung hat sich leider vom Gebrauchsgut zum Verbrauchsgut entwickelt. Dies erkennen die Produzenten zwar, aber gerade grosse Unternehmen sehen sich gezwungen, zweiwöchentlich neue Kollektionen auf den Markt zu werfen, um mit den anderen Schritt zu halten. Kleine Unternehmen oder Detailhändler, die eine Nische bedienen, können sich diesem Zwang eher entziehen und eigene, nachhaltige Geschäftsmodelle für affine Kunden entwickeln. Um einen Überblick zu erhalten, gab das Bundesamt für Umwelt BAFU eine Studie bei ecos und nachhaltig wirkt unter der Leitung von Tobias Meier in Auftrag. Diese Studie finden Sie auf unserer Webpage unter dem Reiter «Studien».

Ein Blick über die Grenzen offenbart, dass die EU bereits Massnahmen ergriffen hat und mit Härte gegen Fast Fashion, vor allem aber gegen die Vernichtung neuer beziehungsweise unverkaufter Textilien vergehen wird. Das künftige EU-Verbot setzt genau bei jenen Textilien an, die von Unternehmen entsorgt werden, bevor sie jemals in den Händen eines Kunden gelangten (sogenannte Pre-Consumer-Textilien). Hier sieht das EU-Verbot zur Vernichtung unverkaufter Textilien Verbesserungspotential: die Zerstörung von ungenutzter, aber perfekt intakter Kleidung soll streng gebüsst werden. Das ist mehr als sinnvoll, denn nur allein in Deutschland werden jährlich 230 Mio. Kleider vernichtet. «Weltweit werden pro Jahr 80 Milliarden Kleidungsstücke hergestellt. Davon werden 25% nie verkauft und weitere 25% werden zwar verkauft, aber nicht getragen. 50% aller Kleidungsstücke bleiben somit ungetragen. Gründe für die hohe Quote an unverkauften und ungetragenen Kleidern sind unter anderem die grossen Mengen an produzierten Kleidern, die in kurzen Abständen auf den Markt kommen und konsumiert werden. Ein weiterer Grund sind standardisierte und globalisierte Einheitsschnitte, die oft nicht richtig passen», zitiert das kf aus der bereits erwähnten Studie.

 

Vernichtung von neuwertigen Kleidern pro Jahr, Beispiele

Burberrys           Vernichtung von Markenmodellen im Wert von 30 Mio. Pfund

H&M                   Verbrennen von 12 t Neuware

Amazon              Vernichten von sämtlichen Retouren, Neuware

Zalando              30% aller bestellten Kleider werden retourniert

 

Textil-Recycling ≠ Textilsammlung

Textilien, die im Textilsammelsack landen, werden nicht dem Recycling zugeführt, sondern werden sortiert, verpackt, verschifft und verkauft. Das ist wichtig, aber noch besser ist es, Fehl- und Spontankäufe zu vermeiden. Bei der Sammlung handelt sich um eine Weiterverwendung (Re-Use). Nach dem erneuten Tragen landen diese Textilien – meist Kleidungsstücke – in der Verbrennungsanlage oder auf einer Deponie.

Echtes Textilrecycling hingegen steckt noch in den Kinderschuhen. Man unterscheidet zwischen mechanischem und chemischem Recycling. In beiden Fällen werden die Textilien bis zu Fasern zerrissen oder herausgelöst und anschliessend neu versponnen. Die entstandenen Stoffe sind von unterschiedlicher Qualität und können zu Teppichen bis zu feinen Kleiderstoffen verarbeitet werden. Verschiedene Schweizer Start-ups nehmen sich des anspruchsvollen und aufwendigen Prozesses an. Klar ist: diese Textilien (Kleider) sind nicht günstig.

Ein neues Faktenblatt des kf listet auf, wie sich Konsumenten gegen das Vernichten von Neuware engagieren können und was jeder Einzelne dazu beitragen kann. Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass wir unser Kaufverhalten überprüfen sollten und auf Qualität, nicht auf Quantität setzen.

Babette Sigg